Grammatik multimodal

Grammatik multimodal erschließt neues Terrain und argumentiert für die Erweiterung des Gegenstandsbereichs lautsprachlicher Grammatiken: Das menschliche Sprechen besteht nicht nur aus Artikulationen des Mundes, die primär mit dem Ohr wahrgenommen werden, sondern auch aus sichtbaren Artikulationen anderer Körperteile, die auf das Auge wirken. Eine besondere Stellung nehmen dabei die Bewegungen der Hände ein: Die Gebärdensprachen der Gehörlosen zeigen, dass auch Handbewegungen allein als Artikulationen voll ausgebildeter Sprachen gelten können. Wenn es sich so verhält, dass Handbewegungen grundsätzlich das Potential zur Ausbildung einer Grammatik haben, wie steht es dann mit der Grammatikfähigkeit derjenigen Handbewegungen, die das Sprechen der Hörenden begleiten? Ist eine Einzelsprache wie das Deutsche partiell multimodal? Die Analysen zur Semantisierung und Typisierung von Gesten als potentiellen syntaktischen Konstituenten, die rekursive kontextfreie Phrasenstrukturgrammatik, die wir in Anlehnung an die frühen Arbeiten Chomskys für die Darstellung der Rekursivität und Selbsteinbettung bei Gestenphasen vorschlagen, sowie die Beispielanalysen zur multimodalen Attribuierung in Nominalgruppen, zeigen, dass eine multimodale Grammatik nicht nur im Ansatz möglich, sondern auch notwendig ist, will man der Sprache allgemein und der Sprache als einzelsprachlichem Medium der Verständigung gerecht werden.

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