Grausames Mitleid

Nach Thomas Szasz praktiziert die Psychiatrie insofern »grausames Mitleid«, als sie psychisch Erkrankte zwar versorgt, deren Freiheitsrechte aber grausam mißachtet. Er hat den Verdacht, daß die traditionelle Psychiatrie - hervorgegangen aus Zwangseinrichtungen früherer Zeiten - weitgehend dazu dient, sozial »unerwünschte« Personen sozusagen im gesellschaftlichen Auftrag wegzusperren, vermeintlich zu deren eigenem Wohl, tatsächlich jedoch zum Wohl der Gesellschaft. Folglich erhebt Szasz die kompromißlose Forderung, alle Menschen, ob auffällig oder nicht, zuallererst als Mitbürger zu behandeln, d. h. ihnen die Freiheit zu lassen, so zu leben wie sie wollen - auch wenn es andere stört. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Thomas Szasz, 1920 in Budapest geboren, emigrierte 1938 in die Vereinigten Staaten. Er studierte Medizin und Psychiatrie und erhielt seine psychoanalytische Ausbildung in Chicago. 1948 eröffnete er eine psychoanalytische Praxis; ab 1955 war er Professor für Psychiatrie an der State University of New York in Syracuse. Er starb 2012 in Manlius, New York.

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