Grundzüge einer Christologie nach Auschwitz

Studienarbeit aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Theologie - Systematische Theologie, Note: Sehr gut, Westfälische Wilhelms-Universität Münster (Katholisch-Theologische Fakultät, Sektion Systematische Theologie), Veranstaltung: Hauptseminar, Sprache: Deutsch, Abstract: Auschwitz als Ausgangspunkt eines fundamentalen Umdenkens An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten. Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen. Matthäus 7,16-20 Ginge man mit diesem bestechend einfachen neutestamentlichen Bild als Maßstab an die Geschichte des Christentums mit seinen zahlreichen dunklen Kapiteln heran, so wäre das Ergebnis sicher 'ein Korb mit reifem Obst' (Amos 8,1f.) und unverkennbar vielen faulen Früchten. In welchem Maß und in welcher Art auch immer sich Christen von der Geschichte ihrer 'Väter und Mütter' berühren lassen, es führt kein verantwortbarer Weg daran vorbei, die schlechten Früchte nicht still und leise - vielleicht verschämt - hinter dem Rücken von Größe, Einfluß, Universalität und reichlich vordergründigem Trost verschwinden zu lassen. Spätestens seit Ausschwitz ist ein fundamentales Umdenken unumgänglich. Gerade weil es kein Zurück mehr gibt, Auschwitz - und es steht für die Vernichtung von Millionen - ist unleugbar geschehen, muß auf dem Hintergrund eines definitiven 'Nie wieder' der Blick auf die christlichen Wurzeln des Antijudaismus und des daraus gewachsenen Antisemitismus fallen. 'Wir Christen kommen niemals hinter Auschwitz zurück; über Auschwitz hinaus aber kommen wir, genau besehen, nicht mehr allein, sondern nur noch mit den Opfern von Auschwitz. Das ist in meinen Augen der Preis für die Kontinuität des Christentums jenseits von Auschwitz. Man sage nicht: Schließlich gibt es für uns Christen andere Gotteserfahrungen als die von Auschwitz. Gewiß! Aber wenn es für uns keinen Gott in Auschwitz gibt, wie soll es ihn dann für uns anderswo geben? Man sage auch nicht, eine solche Auffassung verstoße gegen den Kern der kirchlichen Lehre, derzufolge den Christen die Nähe Gottes in Jesus Christus unwiderruflich verbürgt ist. Es bleibt ja immerhin die Frage, für welches Christentum diese Zusage gilt. Etwa für ein antijudaistisch sich identifizierendes Christentum, das zu den historischen Wurzeln von Auschwitz gehört, oder eben für eines, das seine eigene Identität nur wissen und verkünden kann im Angesicht dieser jüdischen Leidensgeschichte? ...

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