Die Studie behandelt das System und die Realität der Fürsorge und Heimerziehung in Tirol und Vorarlberg anhand von vier untersuchten Landeserziehungsheimen und Berichten von ZeitzeugInnen. Mehr als zehntausend Kinder und Jugendliche waren bis in die 1990er Jahre einer machtvollen Fürsorgeerziehung in Tirol und Vorarlberg ausgeliefert. In Erziehungsheimen der Länder und katholischer Orden erlitten viele von ihnen psychische, körperliche oder sexualisierte Gewalt. Betroffen waren vor allem Mädchen und Buben sozial benachteiligter Familien. Dem Anspruch nach hätten diese Kinder vor unzulänglicher Versorgung und unzureichender Erziehung zu Hause bewahrt werden sollen, doch die öffentliche Ersatzerziehung erwies sich für die allermeisten als schwerwiegender. Betroffene leiden unter lange nachwirkenden Folgen. Ein engagiertes AutorInnenteam der Universität Innsbruck beschreibt diese Anstaltserziehung und das umfassende Fürsorgeregime - mit seinen Wurzeln um 1900 und in der Zeit des Nationalsozialismus - als ein Zusammenwirken mehrerer Kräfte: der Jugendfürsorgepolitik und des Fürsorgeapparats, der frühen Kinderpsychiatrie und Heilpädagogik. Zahlreiche erstmals benützte Quellen und bisher unveröffentlichte Fotos und Materialien zeugen vom Ausmaß des Gewaltsystems in den vier Landesheimen der Region: am Jagdberg, in Kramsach-Mariatal, Kleinvolderberg und St. Martin. Sie zeigen aber auch den öffentlichen Protest von Betroffenen und sozialen Akteuren seit den 1970er Jahren. Als ZeitzeugInnen dokumentieren ehemalige HeimbewohnerInnen aus drei Generationen vielstimmig ihre Erfahrungen.

Michaela Ralser ist Erziehungs- und Sozialwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Universitätsprofessorin am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck und leitete das Forschungsprojekt 'Regime der Fürsorge. Zur Geschichte der Heimerziehung in Tirol und Vorarlberg (1945-1990)'. Nora Bischoff studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie. Sie ist Doktorandin der Neueren Geschichte an der Freien Universität Berlin und Stipendiatin der Johannes-Rau-Gesellschaft. Flavia Guerrini studierte Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Geschlechter- und Sozialforschung. Sie ist Doktorandin und Universitätsassistentin am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck. Christine Jost studierte Bildungswissenschaften. Sie ist Leiterin der Abteilung Bildung und Integration des Amtes der Stadt Hohenems. Ulrich Leitner studierte Geschichte, Erziehungs- und Politikwissenschaft. Er ist Universitätsassistent am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck. Martina Reiterer studierte Erziehungswissenschaft und Soziologie. Sie ist Mitarbeiterin der Beratungsstelle WIBS (von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten) und Lehrbeauftragte an der Universität Innsbruck.