Hero reloaded. Zur komplementären Konstruktion der Protagonisten im Otnit und Wolf Dietrich A.

Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 1,0, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Sprache: Deutsch, Abstract: Der "Otnit" steht zum "Wolf Dietrich" in besonders enger Beziehung, denn neben der Tatsache, dass die beiden fast immer gemeinsam überliefert werden, stehen sie auch inhaltlich in besonders enger Beziehung. Wolf Dietrich wird Otnits Witwe heiraten und er wird den Lampartenkönig rächen, indem er die Drachen tötet. Dies wissen wir, weil es beispielsweise in den Handschriften B und D überliefert wurde. Auch für Handschrift A geht man von diesem Ende aus ¿ jedoch: Die Handschrift bricht nach Strophe 606 ab. Die Heirat der Witwe und die Rache durch das Töten der Drachen kommen im ¿Wolf Dietrich A¿ also nicht vor. Wie kann man nun trotzdem beweisen, dass "Otnit" und "Wolf Dietrich A" keine unabhängigen Texte sind, die lediglich durch intertextuelle Verweise in loser Verbindung stehen? Diese Arbeit beschäftigt sich mit der inhaltlichen Zusammengehörigkeit der beiden Heldenlieder. Es wird um die Frage gehen, ob und inwiefern Otnit und Wolf Dietrich parallel konzipiert wurden, in welchen Punkten sie Gemeinsamkeiten aufweisen und wo und vor allem warum sie voneinander abweichen. Dies soll anhand dreier Aspekte erfolgen: 1) Familie und Emanzipationsprozess 2) Glauben und göttlicher Beistand 3) rîters muot - Treueverständnis und Schlaf Diese Untersuchung soll letztlich dazu dienen, zweierlei zu beantworten: Erstens: Gibt es zwischen den beiden Texten doch mehr Gemeinsamkeiten als Heirat der Witwe und Drachenkampf? Zweitens soll dies auch ein Versuch sein, das merkwürdig unheroische Ende von Otnit zu erklären. Hat der Tod Otnits vielleicht einen höheren Zweck in Bezug auf Wolf Dietrich? Könnte es womöglich sein, dass Otnit nur eine Art Prototyp sein sollte und Wolf Dietrich somit die bessere Konstruktion, gewissermaßen der "Otnit 2.0", dieses defizitären Heldenexemplars ist? Um eine Grundlage für die inhaltliche Analyse zu schaffen, soll zuerst ein Forschungsüberblick dargelegt werden. In diesem werden formale Kriterien besprochen, etwa Autor- und Datierungsfragen oder Diskussionen zu Vorlagen der beiden Texte. Die inhaltliche Interpretation wird sich lediglich auf die Handschriften A beziehen, was bedeutet, dass im "Wolf Dietrich" nur jene inhaltlichen Aspekte bis Strophe 606 einbezogen werden. Da in der verwendeten Ausgabe das fehlende Ende durch das Dresdner Heldenbuch (Handschrift k) ergänzt wird, soll dieses erst in einem zweiten Schritt näher betrachtet werden.