Historische Berufsbildungsforschung

Jeder Wissenschaftsdisziplin hilft ein Bewusstsein ihrer Geschichte und die Kenntnis ihrer Vielfalt, Paradigmen und Entwicklungsmöglichkeiten. Darauf basierend können Forschende ihr spezifisches Potential, Wissen und Handlungsrepertoire entfalten. Dabei ist Geschichtsschreibung und historische Berufsbildungsforschung immer zugleich selbst gefangen in ihrer je eigenen Zeit, beschränkt durch die Perspektiven der Personen, die sich an dem Rückblick beteiligen. Das macht Geschichte auch immer zur Geschichte der Herrschenden, die eine spezifische Perspektive und die mit ihr verbundene Forschung schreibend tradieren. Deshalb ist Vielfalt für die historische Berufsbildungsforschung so wertvoll, weil sie sich gegen verengte, eindimensionale Retrospektive stellt, gewissermaßen in die Ritzen und Fugen der Zeit schauen lässt. Basierend auf einer Tagung der Herausgeber im September 2019 zu 'Retrospektiven, Perspektiven & Synergien einer Historischen Berufsbildungs- und Wissenschaftsforschung' an der Universität Rostock, entfaltet sich die Bandbreite der historischen Berufsbildungsforschung. Der Band vereint paradigmatische, mal stärker biografischen Zugänge sowie systemisch-gesellschaftspolitische und schließlich Analysen zur Genese der Wissenschaftsdisziplin. In den Beiträgen wird dem Einfluss von Einzelpersönlichkeiten und Forschungsparadigmen ebenso wie dem von Bildungssystemen am Beispiel der DDR, Skandinaviens und der bundesdeutschen Bildungspolitik nachgegangen. Vereint sind sowohl Beiträge zur Entstehung der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, zur Rekonstruktion der Benachteiligtenförderung, Soziökonomie, Pflegedidaktik und Frauenforschung als auch Analysen berufsspezifischer Betrachtungen am Beispiel des Druckgewerbes, der Offiziere und der Ausbilder*innen. Die Rostocker Berufspädagogik möchte neugierig machen auf forschende Entdeckung der Geschichten in der Geschichte eines politisch-pädagogischen Gestaltungsfeldes zwischen Wirtschafts- und Bildungssystem.

Der Herausgebende Prof. Dr. Franz Kaiser ist Gründungsdirektor des Instituts für Berufspädagogik an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock. Er war langjähriger Mitarbeiter des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. Berufs- und Berufsstrukturforschung, Professionalisierung von Lehrenden und Curriculumentwicklung. Der Herausgebende Dr. Mathias Götzl war u. a. Juniorprofessor für Förderorientierte Berufspädagogik am Institut für Berufspädagogik der Universität Rostock. Aktuell ist er Fachleiter für das Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung am Staatlichen Studienseminar für Lehrerbildung Erfurt, Lehrer am Beruflichen Gymnasium des Staatlichen Berufsschulzentrums Gotha-West, Lehrbeauftragter des Instituts I: Bildung, Beruf und Medien der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Gründungsvorsitzender des Vereins NETZWERK-BWP e. V.