Hungerkannibalismus

Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,0, Universität Stuttgart (Historisches Institut; Abteilung Neuere Geschichte), Veranstaltung: Von der mittelalterlichen Fest- und Fastenspeise zur modernen Fastfood-Kultur¿. Eine Geschichte der Ernährung, Sprache: Deutsch, Abstract: ¿Vor dem Hunger ist keine Gesellschaft moralisch geschützt, denn die Not kann die Menschen dazu treiben, schlechthin alles zu essen, was ihnen unter die Finger kommt.¿ Wie das Einstiegszitat bereits vermuten lässt, ist dieses Kapitel jener Form der Anthropophagie gewidmet, die das Verzehren anderer Menschen aufgrund einer extremen Nahrungsmittelknappheit zum Thema hat. In solchen Notlagen schien das Leben der Menschen offenbar so sehr gefährdet, dass der einzige ¿Ausweg¿, nicht Hungers sterben zu müssen, der Abstieg zu barbarischen Kannibalismusakten war. Bei der Beschäftigung mit diesem Thema soll weniger die Frage nach der Authentizität der Berichte zu Kannibalismusfällen im Vordergrund stehen als vielmehr die Analyse der Reaktionen zu einigen Vorfällen. Hierzu stützt sich die Arbeit auf einschlägige Beispiele, die eine breite Palette an möglichen Reaktionen verzeichnen. Die Beispiele werden unter anderem den Umgang mit der Sünde, Schuldabwendungen und -zuweisungen, sowie Rechtfertigungsversuche beziehungsweise Verurteilungen von Moralisten, Theologen und Juristen behandeln. Ein Großteil der Forschungsliteratur zum Thema Kannibalismus widmet sich dem so genannten ¿rituellen¿ Kannibalismus: Darunter fallen unter anderem Werke von Ewald Volhard, William Arens oder Heidi Peter-Röcher. Gute Einblicke zum Themengebiet des Kannibalismus, die sowohl auf profane wie auch rituelle Kannibalismusformen eingehen, bieten die Werke von Hedwig Röckelein, Daniel Fulda und Piero Camporesi. Informationen zu einzelnen Kannibalismusvorfällen zu finden, gestaltet sich teilweise schwer. Im Fall des belagerten Dijon, in dem es im Jahre 1513 zu einem Kannibalismusfall kam, konnte der Sachverhalt erst einige Jahre später in den Gerichtsakten zu Mühlhausen nachgewiesen werden ¿ und in diesem Fall ist der Historiker gezwungen, einzig und allein auf das wahrheitsgemäße Geständnis des Verurteilten zu vertrauen. Zu der Belagerung der Stadt Sancerre im Jahre 1573 erweisen sich die Aufzeichnungen des Augenzeugen und Leidensgenossens Jean de Léry als sehr hilfreich. Nicht nur in seinem Werk ¿Histoire memorable de la ville de Sancerre¿, in dem der Autor direkt auf die grausamen Geschehnisse während der Belagerung eingeht, erfährt man von kannibalischen Handlungen. Die traumatisch erlebte Belagerung wird von de Léry auch in einem anderen Werk, in ¿Histoire d¿un voyage¿, verarbeitet.

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