„Ich vermisse mein Zuhause …“ – Fluchtgeschichten in Kinder- und Jugendmedien

Editorial

Flucht als Ursache von Krieg, Armut, Hunger, Religion, sexueller Orientierung etc. ist kein Phänomen der Gegenwart, sondern gehört zur Menschheitsgeschichte. Europa und insbesondere auch Deutschland hielt die 2015 beginnende große Migrationswelle mit Bildern von Menschen in überfüllten Schlauchbooten und nicht enden wollenden Menschenzügen in Atem. Die Regierungen gerieten unter Handlungsdruck, viele kontroverse Diskussionen in der Bevölkerung und in den Medien darüber, wie viele Geflüchtete ein Land verkraften kann, wurden und werden geführt. Ein Anschwellen des Rassismus im Zuge dieser Debatten ist unübersehbar.

Welche Dimensionen das Thema Flucht hat, zeigt beispielhaft die 2017 gegründete Zeitschrift F’Flucht. Zeitschrift für Flucht- und Flüchtlingsforschung, die sich im interdisziplinären Austausch (Rechtswissenschaften, Soziologie, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Philosophie, Ethnologie, Sprach- und Literaturwissenschaften, Psychologie, Geografie und Wirtschaftswissenschaften) all jenen Fragen widmet, die das Thema in den diversen gesellschaftlichen Handlungsfeldern mit sich bringt.

Hat sich nun auch die Literatur des Themas Flucht angenommen? Die bekannte Literaturkritikerin Sigrid Löffler, die 2014 ihr Buch Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler veröffentlichte, antwortet darauf 2015 in einem Interview mit der Deutschen Welle: „Zum Teil ja, aber eigentlich weniger in der deutschsprachigen Literatur als in der neuen Weltliteratur.“

Und sie fügt hinzu, das sei auch „charakteristisch“, weil es zeige, „wie zufrieden lebende Deutsche erst allmählich aufwachen und erst allmählich ein Gefühl dafür entwickeln, was da rund um sie auch schon im eigenen Land los ist.“

Nimmt man nun die Kinder- und Jugendliteratur in den Blick, so steht eine umfassende historisch-systematische Betrachtung des Themas Flucht noch aus, weshalb sich das vorliegende Heft weitgehend auf den aktuellen Markt mit seinen unterschiedlichen Medien konzentriert (mit Ausnahme der Hörbücher, weil in diesem Bereich kaum Nennenswertes erschien). Gleichwohl betrachtet Larissa Jagdschian in ihrem einführenden Beitrag historische Entwicklungslinien und widmet sich zugleich dem Begriff Flucht-Literatur.

Im Mittelpunkt der folgenden Beiträge stehen Bilderbücher (Alina Wanzek), Kinder- und Jugendromane (Margarete Hopp), Theaterstücke (Henning Fangauf), Computerspiele (Andreas Seidler), das Kinderfernsehen (Maya Götz) und Kinderradio (Elke Dillmann). Maria Becker widmet sich dem Thema Republikflucht, das bereits seit den 1990er-Jahren eine größere Rolle spielt.

Den Abschluss des Thementeils bilden ein Beitrag von Susanne Brandt, die sich auf Perspektiven des Erzählten und Erinnerns von Geflüchteten selbst konzentriert, sowie ein Interview von Julia Benner mit Marie Offermanns von der Stiftung für Engagement und Bildung e.V. Im Spektrum geht es um die Frage, ob literar-ästhetisches Lernen als „Bereichsdisziplin“ kultureller Bildung angesehen werden kann (Corinna Matzek/Petra Josting/Susanne Miller).
Petra Josting

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