Ideologie und Herrschaftsrationalität

Für die Forschung zur nationalsozialistischen Besatzungspolitik in Polen scheint der Befund eindeutig: Auf einen mit äußerster Brutalität geführten Krieg folgte der von der SS vorangetriebene Versuch, zumindest den annektierten Westen des Landes in einen 'Exerzierplatz' rassischer Lebensraumpolitik zu verwandeln, in eine - so Himmler - 'blonde Provinz'. Gerhard Wolfs Analyse fördert indes Erstaunliches zutage. Himmlers Pläne stießen bei verschiedenen Institutionen auf erbitterten Widerstand, als durch sie ein großer Teil der polnischen Bevölkerung als 'rassisch ungeeignet' deportiert werden sollte, und sie scheiterten schließlich an den lokalen Gauleitern. Deren Selektionsverfahren stellten nicht 'Rasse', sondern 'Volk' in den Mittelpunkt. Sie zielten mit Verweis auf die - freilich oftmals erzwungene - Bereitschaft der Einheimischen, die deutsche Herrschaft anzuerkennen, auf die Einbindung in die deutsche Volksgemeinschaft. Die Vermutung, in einem nach rassistischen Kriterien organisierten Staat werde sich die Konfliktpartei durchsetzen, die für eine rassistische Politik steht, ist naheliegend - in diesem Fall führt sie jedoch in die Irre.

Gerhard Wolf, Dr. phil., geboren 1972, ist DAAD Lecturer for Modern German History an der University of Sussex in Brighton/UK.

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