Im Gefängnis frei

Im April 1968, zwei Jahre bevor sich die Rote Armee Fraktion gründet, wird Andreas Baader in Frankfurt festgenommen und zusammen mit Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein wegen eines nächtlichen Brandanschlags in zwei Kaufhäusern in Untersuchungshaft verbracht. Ideologisch vorgebildet oder politisch ambitioniert ist Baader zu diesem Zeitpunkt kaum, die folgenden 14 Monate nutzt er vor allem, um in seiner Zelle nachzuholen, was andere in der APO ihm voraushaben: Er liest Autoren wie Wittgenstein, Marcuse oder de Sade, er schreibt Tagebuch, Lektüreexzerpte, Briefe oder Drehbuchentwürfe. Seine Haftzeit kann nicht nur als Prozess einer Radikalisierung verstanden werden, an dessen Ende Baader mit einem ausgeprägten Hass auf den Staat entlassen wird, sondern auch als Prozess der Bildung und Subjektwerdung, während dem der Gefangene manchmal das Gefühl hat, im Gefängnis freier zu sein als 'draußen'. Alex Aßmann hat zum ersten Mal Baaders Gefängnisnachlass aus dem Brandstifterprozess gesichtet - Notizbücher im Umfang von über tausend Seiten und zahllose Briefe, vor allem adressiert an Gudrun Ensslin. Von diesem Material ausgehend, nähert sich Aßmann der Figur Baader und seinem Leben bis zum Brandstifterprozess in einer Weise an, die in der bisherigen Historisierung der RAF ungewöhnlich ist, die mancher Darstellung des verhätschelten Jungen und späteren notorischen Kriminellen eine andere Perspektive an die Seite stellt und die persönliche Entwicklung eines Staatsfeindes auch in die intellektuelle Geschichte der BRD einordnet.

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