In die Weite

Brigitte Knipp zeigt in ihrem Buch In die Weite in vier Kapiteln, wie Lyrik besonders in Zeiten eines individuellen oder gesellschaftlichen Umbruchs eine Perspektive eröffnen kann, die der Sehnsucht nach geistiger Erneuerung eine Stimme verleiht. Gedichte des 20. und 21. Jahrhunderts, die auf religiöse Urformen der Dichtung zurückgreifen, verdeutlichen die Nähe poetischer Sprache zu mystischer Rede und die Wirkung einer Transzendenz, die sich vorbehaltlos auf die gesamte Menschheit bezieht. »Ist auch der Schritt der Poesie stets ein leiser, so ist er doch ein wirksamer Schritt« (Alois M. Haas). Brigitte Knipps Buch, das zum intensiven Mitgehen des Lesers auffordert, wendet seine Aufmerksamkeit zunächst dem Aspekt der biblischen Intertextualität bei Else Lasker-Schüler u. a. zu. Danach zeigt die Autorin an dem neugriechischen Langgedicht To Axion Esti, welche Wirkung urchristliche liturgische Formen in einem Werk des 20. Jahrhunderts erzeugen. An Paul Celans Psalm verdeutlicht sie, wie dem Dichter nach dem Holocaust eine Neuerschaffung der lyrischen Sprache gelingt, mit der er die Würde des Menschen auferstehen lässt. Die Psalmen des Exilautors SAID, der Völker, Religionen und Individuen durch Liebe miteinander zu versöhnen sucht, beschließen das Buch, das zum Weitergehen »ins Offene« anregt.

Brigitte Knipp hat in Hagen und Hamburg Germanistik und Musikwissenschaft studiert und in Göttingen über das lyrische Werk Ernst Meisters promoviert. Sie lebt als freie Autorin in Dänemark, wo sie an der Universität in Aarhus Neuere deutsche Literatur lehrte. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Lyrik und Mystik.

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