Jenseits der Psychologie

Otto Rank hatte in der frühen Psychoanalyse das volle Vertrauen von Freud, der ihn in der psychoanalytischen Bewegung eine herausragende Position einnehmen ließ. Das änderte sich grundlegend nach Erscheinen seines Buches Trauma der Geburt, das zu einem Zerwürfnis der beiden führte. Rank ging zuerst nach Paris, dann weiter nach USA und schrieb weiterhin bedeutende tiefenpsychologische Werke, bereichert um Erkenntnisse aus Philosophie, Literatur und Ethnologie. Amerika sollte seine neue Heimat werden, aber auch hier wurde er von seinen ehemaligen Kollegen verschmäht und verleugnet. In dem Buch Jenseits der Psychologie fasst er seine lebenslangen Forschungen über die menschliche Psyche zusammen. Seine Überzeugung war, die Psychologie des Selbst müsse im Anderen gefunden werden. Mein Lebenswerk ist beendet. Die Gegenstände meines früheren Interesses, der Held, der Künstler, der Neurotiker erscheinen nochmals auf der Bühne, und zwar nicht nur als Mitspieler im ewigen Drama des Lebens, sondern ohne Maske, nachdem der Vorhang gefallen ist, unbekleidet und ohne Prunk. Auch nicht als geplatzte Illusionen, sondern als menschliche Wesen, die keines Interpreten bedürfen.

Otto Rank, Sohn des jüdischen Kunsthandwerkers Simon Rosenfeld, studierte 1908 Germanistik und klassische Philologie an der Universität Wien, wurde 1912 mit der Arbeit Die Lohengrinsage zum Dr. phil. promoviert und befasste sich mit vergleichender Kulturgeschichte und Mythologie. Er war einer der engsten Vertrauten Sigmund Freuds und Förderer der Psychoanalyse. Rank wurde Sekretär der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und war von 1912 bis 1924 Mitherausgeber der internationalen Zeitschrift Imago. Im Jahre 1919 gründete er in Wien den Internationalen Psychoanalytischen Verlag, den er bis 1924 leitete. Sein Hauptwerk Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse (1924) führte zur Entfremdung von Freud. Rank ging 1926 nach Paris und 1933 in die USA; er ließ sich 1936 als Psychotherapeut in New York nieder. Er war seit 1918 mit der Kinderanalytikerin Beata Minzer verheiratet, sie hatten eine Tochter.[1] 1934 wurde die Ehe geschieden. In den 1930er-Jahren unterhielt er eine intensive Beziehung mit der Schriftstellerin Anaïs Nin, die sich auch in deren Tagebüchern niederschlug. Rank begründete die Casework-Schule, die die Therapie zeitlich begrenzte. Ende Oktober 1939 starb Otto Rank im Alter von 55 Jahren in New York City.

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