Johannes R. Becher - Handlungsspielräume und Grenzen eines Kulturpolitikers in der SBZ/DDR

Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Politik - Thema: Geschichte der Internationalen Beziehungen, Note: 1,3, Freie Universität Berlin (Otto- Suhr- Institut für Politikwissenschaft), Veranstaltung: Exil und Neuordnung. Zum politischen Engagement deutscher Schriftsteller, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Biographie des Johannes Robert Becher, der heute der breiten Öffentlichkeit wohl vor allem als Texter der DDR-Nationalhymne bekannt sein dürfte, zeichnet sich durch verschiedene Phasen und einen bemerkenswerten Facettenreichtum aus. Dieses muss wohl in erster Linie mit der Vielzahl an politischen Ereignissen in Deutschland und Europa im Laufe des 20. Jahrhunderts erklärt werden, mit denen das Leben Bechers eng verknüpft gewesen ist. So reichen die Besonderheiten in Bechers Vita von persönlichen Tragödien in jungen Jahren, wie diversen Selbstmordversuchen und einer schweren Morphiumsucht, über ein bemerkenswertes, hoffnungsvolles Schaffen als expressionistischer Dichter, dem Eintritt in den Spartakusbund bzw. der KPD bis hin zur Flucht vor den Nationalsozialisten und dem damit verbundenen unfreiwilligen Aufenthalt im russischen Exil. Diese Arbeit möchte sich die Beschäftigung mit der letzten bedeutenden Phase in Johannes R. Bechers Leben, seinem Schaffen als Kulturpolitiker in der SBZ/DDR nach Ende des Zweiten Weltkriegs, zur Aufgabe machen. Hierbei soll weniger auf den kulturproduzierenden Johannes R. Becher, also seine Rolle als Volksdichter des sozialistischen Teilstaates, sondern vielmehr auf sein Wirken als Politiker, sprich als Vorsitzender des Kulturbundes und später als Kulturminister der DDR, eingegangen werden. In der Wissenschaft wird die Rolle des Politikers Becher in der SBZ/DDR heute kontrovers diskutiert. Gegenstand dieser Diskussion ist vor allem die Frage, wie viel Schuld Becher als Mitwisser und stiller Dulder diverser Repressalien des Staates gegenüber einiger Schriftstellerkollegen und als Verfechter des Stalinismus auf sich geladen hat? Mag es auf den ersten Blick so scheinen, als wäre Johannes R. Becher, der als Mitglied der Volkskammer und des Politbüros öffentlich nie an der politischen Linie der SED und Ulbrichts gezweifelt hat, von dieser auch persönlich restlos überzeugt gewesen, so ergibt sich vor allem nach der Lektüre seiner erst 1988 in der Zeitschrift 'Sinn und Form' erschienenen 'Selbstzensur', die eine 'schonungslose Selbstkritik Bechers im Zusammenhang mit dem XX. Parteitag der KPdSU' darstellt, ein etwas differenzierteres Bild. Wider besseren Wissens hat Becher oft geschwiegen, auch wenn sich Unrecht direkt vor seinen Augen abgespielt hat.