K. oder Die verschwundene Tochter

- Nominiert für die Shortlist des Internationalen Literaturpreises - Haus der Kulturen der Welt - São Paulo in den siebziger Jahren. K., Besitzer eines Geschäfts für Herrenmode, erhält einen Anruf aus dem Labor, in dem seine Tochter als Chemikerin arbeitet: sie sei seit vierzehn Tagen dort nicht mehr erschienen. Er fragt ihre Freunde, Bekannte, geht mit ihrem Foto zur Polizei - bis er schließlich auf Umwegen erfährt, dass sie seit Jahren ein Doppelleben führte und mit ihrem Mann verdeckt politisch arbeitete. Für K. ist das aus mehreren Gründen schockierend: Er glaubte seine Tochter, sein Lieblingskind, genau zu kennen und hielt sie für völlig unpolitisch. Und er begreift nicht, warum gerade er, der Mitte der dreißiger Jahre in Polen selber Mitglied einer jüdischen Widerstandsgruppe und nach einer Haftstrafe nach Brasilien geflohen war, auffällige Indizien im Verhalten seiner Tochter komplett falsch eingeschätzt hatte. Er hätte es wissen müssen und sie retten können. Sein Leben besteht danach aus einer doppelten Suche: Er will herausfinden, wer seine Tochter wirklich war, und, am wichtigsten: ob sie noch lebt. Diese Suche provoziert Erinnerungen an seine eigene Jugend, wichtige Phasen seines Lebens, die er vorher immer verdrängt hatte. So verschränkt sich brasilianische überraschend mit europäischer Geschichte.

Bernardo Kucinski, ein herausragender brasilianischer Wissenschaftler und Journalist, gilt auch als wichtige Stimme der Angehörigen der desaparecidos - Menschen, die in der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur (1964 bis 1985) gefangen genommen oder verschleppt wurden und seitdem als vermisst gelten. Dieses Schicksal widerfuhr auch Kucinskis Schwester Ana Rosa Kucinski Silva. Diese hatte sich Ende der 1960er Jahre einer Widerstandsgruppe angeschlossen, wurde 1974 gemeinsam mit ihrem Mann festgenommen und galt seither als vermisst.Bernardo Kucinski entstammt einer jüdisch-polnischen Familie. Sein Vater, Majer Kucinski, hatte im Polen der 1930er Jahre wegen subversiver Aktivitäten zwei Jahre im Gefängnis verbracht. Unter der Bedingung, das Land zu verlassen, wurde er freigelassen und ging nach São Paulo ins Exil. Die Mutter Esther folgte zwei Jahre später. Während die Familie des Vaters den Holocaust durch Flucht größtenteils überlebte, wurde die Familie der Mutter fast vollständig in den Vernichtungslagern ermordet. Nach langer Suche nach Ana Rosa Kucinski stieß man im Archiv der Sonderpolizei São Paulo auf den Aktenvermerk 'festgenommen am 22 April 1974 in SP'. Die Suche seines Vaters nach seiner Schwester ist Thema des 2011 geschriebenen preisgekrönten Romans von Bernardo Kucinski.

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