Katalysator EU-Beitrittsperspektive?

[...] Seit Beginn der 1990er Jahre, als die Republik Zypern offiziell die Vollmitgliedschaft in der damaligen Europäischen Gemeinschaft beantragte, ist die Entwicklung des Zypernkonflikts eng mit der Erweiterungspolitik der EU verknüpft. Die Union forderte anfänglich eine Einigung im Konflikt als Vorbedingung für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen, gab diese Haltung aber bald auf: 'At the European Council in Luxembourg in December 1997 the Union decided to open negotiations with Cyprus and five CEE states. Instead of the classical argument that the prospect of accession negotiations should trigger a positive development on the island, the Union now argued that the actual conduct of accession negotiations would 'contribute positively to the search of a political solution to the Cypriot problem'' (Europäische Kommission, 1997, zitiert in Friis, 2002, S.27). Die Annahme, dass Beitrittsverhandlungen mit Zypern einen katalytischen Effekt auslösen und eine Einigung im Zypernkonflikt herbeiführen würden, wurde in politischen und akademischen Kreisen gleichermaßen geteilt. Die These von dem 'katalytischen Effekt' war allerdings von Anfang an nicht unumstritten und beruhte auf problematischen Grundannahmen und einer inkonsequenten Strategie seitens der Union. Das Scheitern des Annan-Plans und das Ausbleiben des 'Beitrittswunders' lassen sich auf die Fehlkonzeption des katalytischen Effekts zurückführen. Ich möchte darum dieser Arbeit folgende Fragestellung zugrunde legen: Welche Erwartungen und Strategien verbanden sich mit dem katalytischen Effekt der EU-Beitrittsverhandlungen, und warum blieb dieser Effekt aus? Um die Fragestellung theoretisch einzurahmen, möchte ich Thomas Diez' postmodernes Konfliktverständnis und sein Modell der vier Wirkungspfade der Union auf regionale bzw. ethnische Konflikte heranziehen. Diez unterscheidet vier Arten der Einwirkung der Union bei der Beilegung von Konflikten: einen compulsory, enabling, connective und constructive impact. Aufbauend auf seinen Überlegungen möchte ich untersuchen, welche Erwartungen und Strategien mit dem katalytischen Effekt verknüpft waren und erklären, weswegen der positive Effekt der EU-Erweiterungspolitik auf den Zypernkonflikt weitgehend ausblieb bzw. hinter den Erwartungen zurückblieb.