Kindheit ohne Liebe in Heinrich von Kleists 'Der Findling'

Studienarbeit aus dem Jahr 2020 im Fachbereich Germanistik - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 1,3, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Sprache: Deutsch, Abstract: Bis heute wird 'Der Findling' in der Forschung kontrovers rezipiert. Im Rahmen dieser Hausarbeit soll auf psychoanalytischer Ebene untersucht werden, inwiefern Nicolos Plan, in der Rolle seines Doppelgängers Colino seine Adoptivmutter Elvire zu verführen, als Ergebnis eines durch fehlende Mutterliebe verstärktes Kindheitstrauma gesehen werden kann. Ziel ist es, zu beweisen, dass der 'abscheulichste[n] Tat' (KF 61) des 'höllischen Bösewichts'(KF 63) Nicolo die vergebliche Suche nach Zuneigung zugrunde liegt. 'Und dies Gefühl (...) zeriss (...) sein verwildertes Herz' (KF 59) - also plant der Adoptivsohn, die eigene Mutter zu vergewaltigen, und endet tot zwischen den Knien des Vaters. Heinrich von Kleists 'Der Findling' erschien 1811 im zweiten Band der Erzählungen und dreht sich um das Waisendkind Nicolo, dessen Adoption in die Familie Piachi eine Kettenreaktion lostritt, die mit dem Tod aller Beteiligten endet. Die Erzählung gilt als eine der düstersten des Autors. Da es keine Quellen zur Entstehungsgeschichte gibt, wird angenommen, dass der Text von Kleist kurz vor dessen Selbstmord verfasst wurde. Nach einem Überblick über die aktuelle Forschungslage, soll zunächst das Verhalten Elvires gegenüber dem Adoptivsohn näher beleuchtet werden, um den Einfluss einer mangelhaften emotionalen Bindung als Ursache für dessen späteres Verhalten zu beweisen. Wie sich auch Piachis Erziehungsmethoden negativ auswirken und den Grundstein für die geplante Verführung Elvires legen, wird anschließend untersucht. Darauf folgend soll mithilfe von Kleists Sprachsymbolik untermauert werden, wie aus der vermeintlich sexuellen Begierde Nicolos ein bis in die Kindheit zurückreichender Wunsch nach Liebe abgelesen werden kann.

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