Kosovo

Die Intervention der NATO im Kosovo vom Frühjahr 1999 liegt jetzt mehr als ein Jahr zurück, sie hat dennoch einen nachhaltigen Eindruck in Europa und der übrigen Welt hinterlassen. Zum ersten Mal wandte die NATO in massiver Form militärische Gewalt an, um eine "humanitäre Katastrophe", d. h. die Vertreibung der albanischen Bevölkerungsgruppe aus dem Kosovo, zu verhindern bzw. wieder rückgängig zu machen. Zum ersten Mal wurde von der NATO dabei in die Souveränität eines anderen Staates (der Republik Jugoslawien) eingegriffen, ohne dass dazu eine explizite Ermächtigung sei­ tens des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vorlag. Zudem zeichnete sich während des Konflikts und danach eine mögliche neue Konfliktlinie Eu­ ropas ab: zwischen dem Westen auf der einen Seite und Russland, Weiß­ russland und Serbien auf der anderen Seite. In den vergangeneu Jahren war die Möglichkeit einer militärischen Inter­ vention der NATO oder einzelner Mitgliedstaaten des westlichen Bündnisses im Sinne eines allgemeinen ordnungspolitischen Engagements (interlocking institutions) immer wieder theoretisch und vor allem politisch diskutiert wor­ den. Vor allem die Debatten über die Möglichkeit eigenständiger Operatio­ nen der Europäer ohne oder mit Hilfe der Amerikaner füllten ganze Bände. Mit Ausnahme einer Phase im Spätsommer 1995, als NATO-Verbände Lufteinsätze gegen serbische Milizen in Bosnien-Herzegowina geflogen wa­ ren, stand der Realitätstest noch aus. Der Kosovo-Einsatz war die erste harte Begegnung mit der Realität, und man kann mit Recht behaupten, dass nach diesen Ereignissen nichts mehr so sein wird, wie es vorher war.