Kuriositäten, Raritäten, Absonderlichkeiten

Kuriositäten und Besonderheiten hat es auch bei dem Thema "Himmlisches Jerusalem" gegeben. Es sind weniger Arbeiten großer Künstler, sondern mehr oder weniger bescheidene Werke, die bislang recht selten einmal eine besondere Würdigung erfahren haben. Die Kunstgeschichte und die Kunstwissenschaft hat eigentlich alle hier besprochenen Kunstwerke hartnäckig ignoriert und als "wertlos" beiseite geschoben. Zu Unrecht! Ein Qualitätsurteil ist immer auch ein Geschmacksurteil, und viele der hier vorgestellten Werke haben es durchaus verdient, beachtet zu werden. Häufig waren es gerade Massenprodukte, die stark in das Alltagsleben hineinwirkten und für viele Menschen das Bild vom Himmlischen Jerusalem prägten. Da wären vor allem die niederländischen und norddeutschen Bibelfliesen: über Jahrhunderte wärmten sich viele Menschen im Winter am Küchenofen und betrachteten dabei - bewusst oder unbewusst - auch das Neue Jerusalem. Ebenso weit verbreitet sind und waren Schmuckstücke mit diesem Motiv. Ein hervorstechendes Beispiel ist hier Marianna Paranskys Jerusalemsschmuck aus dem Jahre 2002 oder das Schmuckdekor "Nový Jeruzalém" von Josef Salaba (2010). Dass auch im kirchlichen Bereich einmal das Himmlische Jerusalem in ungewöhnlicher Art und Weise thematisiert werden konnte, zeigen Beispiele von Hildegard Bienen (1925-1990), der Felicitas-Schrein (1960) von Elmar Hillebrand (geb. 1925) oder die Regensburger Glaswand (1995) des Londoner Künstlers Graham Jones. Neuerdings hat sich sogar ein italienischer Bischof, Carlo Roberto Maria Redaelli, das Himmlische Jerusalem zu seinem Wappen gewählt. Richtig bekannt sind die wenigsten hier vorgestellten Arbeiten. Zwei Ausnahmen jedoch sollte man kennen: da gibt es zunächst gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Zeichnungen des Neuen Jerusalem von Henry Dunant, der als Gründer des Roten Kreuzes weltweit bekannt ist. Und 2012 thematisierte Danny Boyle anlässlich der Londoner Olympia-Eröffnungsgala die Gottesstadt in einer theatralischen Inszenierung für ein Millionenpublikum. Andere Arbeiten haben ihren Reiz wiederum in ihrer zeitlichen Vergänglichkeit. Dazu zählen alle Himmlische Jerusalem-Werke aus Sand, alle essbaren Jerusalemstorten oder Jerusalemsgebäcke, und schließlich auch die Jerusalems-Adventskränze, die in den letzten zehn Jahren viele Kirchen und Gemeindehäuser schmückten.

Dr. Dr. Claus Bernet, Historiker, Schwerpunkt Berlingeschichte.

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