Kurz vor dem Gewitter

Das Hotel ist geschlossen, ich bin der letzte Gast. Manchmal kommen noch Vögel vorbei, man hört, wie sie leise über die Dachpfannen staken. Meine Abreise verschiebt sich täglich in ein länger werdendes Bleiben. Das Gebäude hat Risse, vor dem Betreten wird gewarnt. Morgen ziehe ich in den Keller, zu den Vorräten. Wenn einem nichts zusteht, kann man lange davon zehren. Als Michael Krüger den Peter-Huchel-Preis erhielt, bemerkte Adolf Muschg über ihn: "Nur der Trivialkünstler findet auf seinem Weg immer den Schuh, den er sich und dem Leser getrost anziehen möchte. Für den Liebhaber der Ehrlichkeit kommt zuviel dazwischen: zwischen Ursache und Folge, Bild und Bedeutung, Ich und Du, Lüge und Wahrheit, Leben und Tod. Von diesen Zwischen-Räumen handeln Krügers Gedichte." Und davon, daß niemand weiß, wie die kleinen und großen Fragen letztlich zu beantworten sind - auch wenn man sich ihnen, wie Michael Krüger mit Skepsis und Ironie, stellen muß.

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