Die beiden Hauptaufsätze in diesem letzten Heft des 41. Jahrgangs von Lutherische Theologie und Kirche verbindet die Frage nach dem Verhältnis von »Geltung« und »geschichtlichem Wandel« solch fundamentaler Größen wie »Freiheit« und »Wahrheit«. Zunächst wendet sich Gilberto da Silva dem Thema »Freiheit bei Luther« zu. Im Gedenken an 500 Jahre Reformation spielte das Thema Freiheit 2017 eine zentrale Rolle. In der Tat mag es für Theologie und Kirche reizvoll erscheinen, den Wittenberger Reformator als Pionier eines modernen Freiheitsbegriffs zu illuminieren ? bietet sich so doch scheinbar eine Gelegenheit der Anknüpfung auch an säkular geprägte Zeitgenossen und damit ein Hinweis auf die Relevanz der Kirche und ihrer Traditionen. Da Silva gießt nun seinerseits zunächst Wasser in diesen Wein, indem er auf die Andersartigkeit des Luther’schen Freiheitsbegriffs gegenüber einem modernen, nachaufklärerischen Verständnis hinweist. Ein Gewinn seines Beitrags und ein Anstoß zum Weiterdenken besteht nun in der Differenzierung. Weder ist Luthers Freiheitsbegriff, der durchaus gesellschaftliche Ungleichheiten, ja Ungerechtigkeiten bestehen lassen kann, von der Moderne her anachronistisch zu verurteilen; noch muss ein neuer individueller Freiheitsbegriff, der nach der Befreiung von Bevormundung und Unterdrückung strebt, von Luther her als irrelevant bezeichnet werden. Vielmehr käme es in Theologie und Kirche darauf an, Luthers Freiheitsverständnis in seiner entscheidenden Dimension des coram deo neu hervorzuheben. Die Gewissheit, dass die Freiheit von den »Mächten« Sünde, Tod und Teufel, gewonnen durch Christus, auch heute relevant, ja existenziell ist, sollten Theologie und Kirche getrost haben. Die Aufgabe der Vermittlung und Übersetzung des damit Gemeinten ist dann aber erst gestellt. Geradezu ein Paradebeispiel für die Frage nach Geltung des als wahr und richtig Erkannten und dem Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse sind die erheblichem Veränderungen im Verständnis des Verhältnisses der Geschlechter. Seit der Satz »Männer und Frauen sind gleichberechtigt« im Jahr 1948 Eingang in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fand, haben sich Theorie und Praxis dessen, was unter Gleichberechtigung zu verstehen ist, wiederum erheblich gewandelt. In den Kirchen drückt sich dies durch die Partizipation von Frauen in Strukturen und vor allem den kirchlichen Ämtern aus. Gerade die evangelischen Kirchen sind dabei - jedenfalls in weltweiter Perspektive – ein besonderes Anschauungsbeispiel für die »Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen«: Während in den sog. westlichen Gesellschaften der Nordhalbkugel die Frauenordination inzwischen die Regel ist, ist das in den Kirchen des so genannten »global south« keinesfalls so. Auch die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche ordiniert keine Frauen, diskutiert dieses Thema allerdings seit längerer Zeit intensiv. Die Intensität der Debatte verdankt sich eben der Frage, wo eine Kirche, die Gottes Wort treu sein will, gesellschaftlichem Wandel folgen kann, und wie damit umzugehen ist, dass es innerhalb derselben Kirche Uneinigkeit über den Weg gibt. Der 13. Allgemeine Pfarrkonvent der SELK hat im November 2017 einen neuen Diskussionsgang zur Frage der Frauenordination auf den Weg gebracht. Im Vorfeld dieses Konvents hat sich Michael Pietrusky dieses Themas aus einer z.T. sehr persönlichen Perspektive noch einmal intensiv angenommen. Wir dokumentieren seinen Text hier unter der Überschrift »Die Frage der Ordination von Frauen: Ordnung – Bekenntnis – kirchliche Lehre?« Auch damit dürfte das vermeintlich »letzte Wort« noch nicht gesprochen sein. Möge der Text aber Teil einer intensiven, geschwisterlichen und hoffentlich fruchtbaren Debatte sein! (Aus dem Editorial von Prof. Dr. Achim Behrens)

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