Macht, Emotion und Geselligkeit

Die Selbstorganisation in Genossenschaften, Sozietäten und Vereinen stellt in Deutschland seit dem Mittelalter ein freiheitliches Element gegenüber der Herrschaft des Staates dar. Im Übergang zur modernen Gesellschaft gewinnt sie immer breitere Resonanz, Gestaltenvielfalt und zunehmend auch politische Bedeutung. Im 18. und 19. Jahrhundert findet in ihr der Selbstbestimmungsanspruch des aufstrebenden Bürgertums und dann auch der Arbeiterschaft seinen Ausdruck. In allen Varianten des Prinzips freier Vereinigung geht es um eine klar umrissene soziale Praxis, in der gemeinsame Interessenwahrung, Bildung, Freundschaft mit dem Anspruch auf persönliche und politische Eigenverantwortlichkeit verknüpft sind.
Die hier vorgelegten Aufsätze umfassen den gesamten Zeitraum der Neueren Geschichte vom Spätmittelalter bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Sie verbinden sozial- und kulturgeschichtliche Fragestellungen mit der politischen Geschichte und rekonstruieren präzise den Wandel der politisch-sozialen Begriffe, mit denen die freiwillige Vergesellschaftung beschrieben wurde. Der synthetisierende Blick auf mehr als 400 Jahre deutscher Geschichte erschließt mit großer Tiefenschärfe zentrale Elemente der Entstehungsgeschichte der modernen Welt.

Wolfgang Hardtwig, geb. 1944, studierte Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte in Basel und München. Nach der Promotion mit einer Arbeit über Jacob Burckhardt habilitierte er sich über die Geschichte des Sozietäts-, Vereins- und Verbandswesens. 1985 wurde er Professor für Neuere Geschichte in Erlangen, 1991-2011 lehrte er an der Humboldt-Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Sozietäts-, Verbands- und Vereinsgeschichte; Geschichte der Erinnerungskulturen und der Geschichtsschreibung; Geschichte des Bürgertums; Politische Kulturgeschichte Deutschlands 1850-1933.

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