Marschmusik

Tief unter der Erde hält der junge Mann aufgeregt und fiebrig ein warmes Stück Kohle in der Hand. Zum ersten Mal. Hier im Streb, wo Generationen von Bergleuten malocht haben. Bald endet die Kohleförderung in Deutschland. Und damit das Leben unter Tage. Dann ist im Ruhrpott Schicht im Schacht. Und es bleiben nur noch Erinnerungen: an den wortkargen Vater und die Abende mit Bier, Schnaps und Marschmusik aus dem Küchenradio. An ein Milieu, das für immer verschwinden wird.

In den frühen Sechzigern lernen sich die Eltern des jungen Mannes kennen: Sie ist Näherin, er ist Kohlenhauer. Viele Jahrzehnte später will der erwachsene Sohn endlich Licht ins Dunkel der eigenen Familiengeschichte bringen: Wie hat die Familie gelebt inmitten von Zechentürmen, Taubenschlägen und Schrebergärten? Und was ist eigentlich noch übrig vom bescheidenen Reihenhaus, das dem erwachsenen Sohn doch früher vorkam wie ein Palast? Wie lange wird seine Mutter noch rauchend im Sessel sitzen und sich an den verstorbenen Vater erinnern? Und was bleibt, wenn es das alles wirklich bald nicht mehr gibt? Martin Becker erzählt vom Aufwachsen in einer proletarischen Familie am Rande des Ruhrgebiets. Vom Außenseitertum der kleinen Leute, aber auch von Momenten großen Glücks, die in einer vermeintlich tristen Kleinstadtkindheit doch immer wieder aufblitzen. »Marschmusik« ist eine Geschichte vom Erwachsenwerden, ein Buch über die magische Welt des Kohlebergbaus und über die verführerische Kraft der Finsternis unter Tage - allem Verschwinden zum Trotz immer wieder erzählt mit Leichtigkeit und Witz.

Martin Becker wurde 1982 geboren und wuchs in der sauerländischen Kleinstadt Plettenberg auf. Er kommt aus einer Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet, sein Vater war Bergmann und seine Mutter Schneiderin. Er ist freier Autor für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und berichtet in Features und Reportagen unter anderem aus Tschechien, Frankreich, Kanada und Brasilien. 2007 erschien sein mehrfach ausgezeichneter Erzählband »Ein schönes Leben«, 2014 sein Roman »Der Rest der Nacht«, 2017 sein Roman »Marschmusik« und 2021 »Kleinstadtfarben«. 2024 wurde Martin Becker mit dem Margarete-Schrader-Preises für Literatur ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Familie in Halle (Saale).

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