Martinus · Die Reise zum Kaiser

Legendär ist das Leben des Martinus, des Sankt Martin, erzählt. Um seine Gestalt legen sich Geschichten wie ein heiliger Mantel. Wunder über Wunder hätten sich durch ihn ereignet ... Im siebzigsten Jahr seines Lebens ergeht am zweiten Märztag des Jahres 386 der Ruf an Martinus, sich aus seiner Zelle bei Tours am Fluss Loire aufzumachen, um sich in die glanzvolle Mitte eitler Macht nach Trier zu begeben. Kaiser Magnus Maximus beordert den widerständigen Geistlichen in die Kaiserstadt. Schon einmal war der im gallorömischen Landvolk Verehrte auf Wegen in die Kaisermetropole unterwegs. Im Jahr zuvor hatte sich die Fratze der römischen Macht gegen Bischof Priscillian erhoben. Zum ersten Mal erlitt ein Mensch im Schulterschluss von Thron und Altar den Schwerttod. Martinus erfuhr nach seiner Abreise von der Hinrichtung des asketischen Spaniers, obwohl man mit dem ihm verhassten Usurpator anderes vereinbart hatte. Noch immer brennt die Flamme der Empörung in seiner Seele mit unerträglicher Schmerzwut. An diesen Ort der Schande und des Frevels, schwor er sich, niemals wieder einen Fuß zu setzen. Doch der Kaiser im Westen des römischen Weltreichs fordert den gekränkten Bischof in der römischen Provinz Lugdunensis tertia zur Audienz. Eine Ordnungsmacht wie die der 'pax romana' kann vieles erzwingen ...

Heinrich Winter, geb. 1944 in Gunzenhausen, Studium der Evangelischen Theologie und der Erziehungswissenschaften; tätig am Lehrstuhl Sozialpädagogik der Universität Dortmund, Pfarrer em. der Evangelischen Kirche von Westfalen. Veröffentlichungen zu theologischen und historischen Themen.