"Mein Herz blüht schwer". Die weibliche Großstadterfahrung der Doris in Irmgard Keuns "Das kunstseidene Mädchen"

Studienarbeit aus dem Jahr 2019 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Universität zu Köln (Institut für deutsche Sprache und Literatur 1), Veranstaltung: Großstadt und Literatur, Sprache: Deutsch, Abstract: Irmgard Keuns Roman "Das kunstseidene Mädchen" ist in vielerlei Hinsicht höchst interessant und kann auf unterschiedliche Weisen gelesen werden. Genre-Zuordnungen reichen vom Zeitroman über den Angestelltenroman bis zum Entwicklungsroman. Besonders aufschlussreich ist das Werk jedoch historisch-gesellschaftlich, da durch die erlebte Rede der Protagonistin die Metropole Berlin kurz vor Ende der Weimarer Republik nah und authentisch dargestellt wird. Johannes Pankau schreibt, dass die Kultur der Weimarer Republik und insbesondere die neusachliche Literatur "fast untrennbar mit der Metropole Berlin verbunden" seien. Gleichzeitig wurde Frauen in der Weimarer Republik eine zunehmend größere Rolle eingeräumt - gesellschaftlich und ökonomisch durch Eintritt auf den Arbeitsmarkt sowie literarisch durch neue Entfaltungsmöglichkeiten für weibliche Autorinnen. Da also Frauen sowohl in der realen Großstadt der Weimarer Republik als auch in der Literatur der neuen Sachlichkeit, als Autorinnen oder Protagonistinnen, eine zunehmend wichtigere Rolle einnehmen durften, macht es Sinn, spezifisch über die weibliche Großstadterfahrung in einem Werk einer weiblichen neusachlichen Autorin zu schreiben. Die Zielsetzung dieser Arbeit ist die Analyse einiger elementaren Motive der speziell weiblichen Großstadterfahrung der Protagonistin Doris in das kunstseidene Mädchen sowie die Verbindung dieser Motive zum von Missständen geprägten Berlin der frühen 1930er Jahre. Insbesondere wird die Frage behandelt, inwiefern Doris den Typus neue Frau verkörpert und mit welchen misogynen Strukturen sie sich konfrontiert sieht, während sie das persönliche Dilemma zu lösen versucht, ob sie gesellschaftlichen Status oder die Zugehörigkeit einer Partnerschaft mehr wertschätzt und ob sie überhaupt eines der beiden Modelle ausleben kann, ohne ihren durchaus progressiven, feministischen Idealismus aufzugeben.