Monstrum sui generis

Die Tagebücher belegen die Entwicklung der Psyche eines Adoleszenten ab 1961. Ereignisse seines Lebens spart ihr Verfasser aus. Der Text ließe sich als verborgener Roman seiner Seele und seiner Gedankenwelt lesen. Anfangs ist er 16 Jahre alt. Er beginnt sich allmählich als (romantischen) Dichter zu verstehen. Er denkt extrem subjektiv und weist sich, durch nichts gerechtfertigt, eine herausragende Bedeutung zu. Laienhaft, sehr eigen berührt er philosophische, psychologische und religiöse Themen. Sein Blick auf die Welt ist autonom und besonders, allein aus sich heraus glaubt er die Welt zu erkennen. Er reflektiert ausgiebig sich selbst. Es gibt Reste aus kindlicher und pubertärer Sicht. Welt- und Wissenschaftskenntnis besitzt er wenig, insofern bleibt er oft naiv, banal, magisch, spekulativ, hat aber auch reife und vernünftige Anschauungen, Unverständliches und Unsinn sind vertreten, Richtiges steht neben Schiefem. Sprache und Stil sind hochgespannt, überaus dicht und reflektiert. Er befindet sich auf dem Weg schwieriger erster Selbstfindung in Unsicherheit. Selbstzweifel und Selbstüberhöhung gehen Hand in Hand. Bezüge zur realen Welt finden sich kaum, höchstens indirekt, beobachtend und registrierend. Fast alles ist aus Vorstellung nd Phantasie geboren. Einige idealische Mädchenverehrung pflegt er, bis er sich nach einem Jahr intensiv unglücklich verliebt. Daraus resultiert extreme Abhängigkeit. Er versteht sich als abseitig der Norm üblicher Werte und baut sich wahnhaft ein eigenes Gedankensystem zu seiner Liebe auf. - Das Tagebuch kommentiert und spiegelt überwiegend seine Liebe wider. Das Ziel seiner Liebe verläßt ihn am Ende des vorliegenden Bandes der Tagebücher. Der Text scheint ohne kontrollierende Distanz direkt aus dem Vorbewußten des Verfassers zu Papier gebracht worden zu sein, manchmal in beträchtlicher Emotionalität und Expression. Ein gestalteter (hoher) Ton durchzieht das Tagebuch; die Attitüde ist überwiegend poetisch oder auch analytisch. Im dritten Jahr hat er Phasen, in denen er sich als verrückt erkennt. Am Ende des vierten Jahres formuliert er rauschhaft, fast psychotisch, als verlöre er die Wirklichkeit. Aufgrund des Scheiterns seiner Liebe gelangt er zu Denkweisen und Auffassungen, die sich sprachlich irrational, in Alogik und Phantastik bis hin zu grenzschizophrenen Einsprengseln äußern. - Das Dokument könnte ein lohnender Gegenstand für psychiatrisch-literaturwissenschaftliche Untersuchungen sein.

Der 16jährige Gymnasiast beginnt 1961 erstmals explizit zu denken über sich selbst und die Welt. Er ist vom Elternhaus durchschnittlich gebildet, hauptsächlich Schuleinflüsse bestimmen ihn. Aus sich heraus gewinnt er seine Anschauungen und Kategorien. Seine Lektüre ist unbestimmt, zufällig, er schätzt Selbstmörder und Irre und früh Verstorbene. Altersgemäß entwickelt er Interesse am anderen Geschlecht, bis er sich in eine Mitschülerin verliebt, die ihm seelische und körperliche Gunst gewährt, obwohl sie einem anderen verbunden ist. Er steigert sich in seine Liebe hinein, überhöht sie und wird existenziell auf die junge Frau hin geprägt. Sie beginnt an einem anderen Ort ein Studium, geht dort eine Liebesbeziehung ein, die sie bald zugunsten eines neuen Liebhabers beendet. Darüber verzweifelt der Verfasser der Tagebücher und konstruiert sich allmählich eine teilweise wahnhafte Weltauffassung. Er bleibt lange innerlich auf die Frau fixiert. Er ersetzt sie später durch ein, dann ein zweites geliebtes weibliches Idol, was heißt: absolutes, aussichtsloses Begehren einer nicht erreichbaren Person, und bleibt gefangen in seiner eigenen Welt. Nach einigen Jahren trifft er auf eine Frau, mit der er eine Ehe eingeht. - Die Bände des "Monstrum sui generis" teilen seine Aufzeichnungen nahezu vollständig und ohne Beachtung etwaiger Qualitäten mit, um ein Gesamtbild seiner mißglückten Adoleszenz zu dokumentieren.

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