Musikwissenschaft und Vergangenheitspolitik

Wie hat sich die Musikwissenschaft nach 1945 neu positioniert? Im Fokus dieser Studie stehen Institutionen, Personen, Forschungsthemen und Lehrveranstaltungen an den deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten sowie die Frage nach der Entnazifizierung. Die Disziplin suchte ihren Ort in den ästhetischen, kulturpolitischen und gesellschaftlichen Debatten der Zeit. Sie positionierte sich als philologische Disziplin und als angewandte Wissenschaft, die am Wiederaufbau des Musiklebens im Nachkriegsdeutschland mitwirkte. Viele ihrer Vertreter verschwiegen oder verleugneten ihre problematische Vergangenheit im NS-Staat. Belastete und unbelastete Musikwissenschaftler versuchten indes gemeinsam, die unterschiedlichen kulturpolitischen und musikästhetischen Rahmenbedingungen sowie persönliche Netzwerke in den einzelnen Besatzungszonen und in den beiden neu entstandenen deutschen Staaten für das Fach zu nutzen. Mit dem Wieder- bzw. Neuaufbau von Universitäts- und Forschungsinstituten gelang die Etablierung und methodisch-thematische Erweiterung des Fachs, dessen frühe Nachkriegsstrukturen vielfach bis heute prägend sind. Die Studien entstanden im DFG-Forschungsprojekt 'Wissenschaftsgeschichte und Vergangenheitspolitik. Musikwissenschaft in Forschung und Lehre im frühen Nachkriegsdeutschland' (Mannheim und Tübingen).

Jörg Rothkamm ist Akademischer Rat und Privatdozent am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Tübingen und war stellv. Leiter des von der DFG geförderten Projekts 'Wissenschaftsgeschichte und Vergangenheitspolitik' in Mannheim und Tübingen. Thomas Schipperges ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Tübingen und leitete das DFG-Projekt 'Wissenschaftsgeschichte und Vergangenheitspolitik'. 2005 publizierte er 'Die Akte Heinrich Besseler. Musikwissenschaft und Wissenschaftspolitik in Deutschland 1924 bis 1949'.