Ein philosophisches Plädoyer für einen ganz anderen Umgang mit der Natur Die neuzeitliche Naturwissenschaft beginnt mit dem Verzicht auf die Frage nach der Zielgerichtetheit natürlicher Prozesse. Naturbeherrschung setzt dann ein, wenn in natürliche Prozesse eingegriffen wird und dies auf Grund der Einsicht in kausalgesetzliche Bedingungszusammenhänge geschieht. Dem neuzeitlichen Typus von Wissenschaft entspricht diese Naturbeherrschung: »Eine Sache kennen, heißt wissen, was man mit ihr machen kann, wenn man sie hat«, schreibt Thomas Hobbes. Aber ist die Natur eine Sache? Kennen wir nicht einen ganz anderen Umgang mit der Natur? Primär ist Natur kein Herrschaftsobjekt, sondern unser Zuhause. Natürliche Lebewesen sind kein Verwertungsmaterial, sondern Mitgeschöpfen - sie selbst sind zeitlebens auf etwas aus. Überhaupt gehört die Sicht, dass die Natur zielgerichtet ist, zur Menschlichkeit des Menschen, und hat eine lange philosophische Geschichte. Die Kenntnis dieser Geschichte ist geeignet, szientistische Vorurteile zu zerstören und der natürlichen Naturbetrachtung ihr Gewissen zurückzugeben.

Robert Spaemann, geboren am 5. Mai 1927 in Berlin, studierte Philosophie, Romanistik und Theologie in Münster, München und Fribourg. Von 1962 bis 1992 lehrte er Philosophie an den Universitäten in Stuttgart, Heidelberg und München, wo er 1992 emeritiert wurde. Robert Spaemann hatte zahlreiche Gastprofessuren inne, erhielt mehrere Ehrendoktorwürden und war 2001 der Träger des Karl-Jaspers-Preises der Stadt und der Universität Heidelberg. Robert Spaemann, einer der führenden konservativen Philosophen im deutschsprachigen Raum, starb am 10. Dezember 2018.