Neorealismus in der Theorie internationaler Politik

Skript aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Politik - Politische Theorie und Ideengeschichte, Note: keine, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Sozialwissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Neorealismus ist keine spezifische Theorie, sondern ein facettenreiches Paradigma: Im Rahmen einer gemeinsamen Weltsicht und Auffassung über den Gegenstandsbereich des Faches Internationale Politik haben sich unterschiedliche neorealistische Theorien entwickelt, die unterschiedliche Analysebegriffe und -methoden verwenden. Oft wird Neorealismus sofort mit dem Ansatz von Waltz gleichgesetzt, was aber völlig falsch ist; denn weder der Theorie noch der Methode nach entspricht dieser unserem heutigen Wissensstand. Seinen theoretischen und methodologischen Fortschritt verdankt der Neorealismus heute anderen Beiträgen. Allerdings ist der Waltz'sche Neorealismus eine wichtige Reibungsfläche, auf die sowohl die anderen neorealistischen Theorien als auch Ansätze aus ganz anderen Paradigmen Bezug nehmen, um ihre Positionen abzustecken und zu verdeutlichen. Deshalb ist seine Kenntnis auch heute noch unverzichtbar. Der Neorealismus von Waltz - oft bezeichnet als struktureller Realismus, weil er direkt von der Struktur des internationalen Systems auf das Verhalten der Staaten schließt - ist zum guten Teil aus der kritischen Auseinandersetzung mit dem klassischen Realismus von Hans J. Morgenthau hervorgegangen. Diese Auseinandersetzung fand in erster Linie auf einer wissenschaftstheoretischen Ebene statt (weiterführend: Waltz 1975, 1990). Der damals innovative Ansatz von Waltz, der in den 1970er-Jahren entstanden ist, lag in dem Versuch, eine in ihrer Einfachheit und Kompaktheit radikale Theorie der internationalen Politik zu entfalten, die mit einem Minimum an Variablen auskommt. Der absolut bestimmende Faktor für die Erklärung internationaler Politik - und internationale Politik bedeutet für Waltz die relative 'Position' von Staaten zueinander und die Wahrung dieser Position - ist die Struktur des internationalen Systems. Diese Struktur definiert sich durch das 'Ordnungsprinzip' Anarchie (dem Fehlen einer internationalen Instanz, die verbindlich Recht setzen und durchsetzen kann) und durch die Verteilung von Machtressourcen auf die Staaten. Waltz geht davon aus, dass die Struktur des internationalen Systems unmittelbar die immer wiederkehrenden Grundmuster und Folgen des Verhaltens der Staaten untereinander erklärt.[...]

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