Nüchterne Staatsbürger für junge Nationen

Seit dem späten 19. Jahrhundert organisierte sich eine weltweite Temperenzbewegung gegen den Alkoholkonsum. In Argentinien und Uruguay begannen ab Ende der 1870er Jahre als erstes Mediziner insbesondere den massenhaften Konsum von Alkohol unter den eingewanderten Arbeitern aus Europa zu problematisieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts engagierten sich dann weltweit vermehrt Frauen gegen den Alkoholismus der Männer. Diese Alkoholgegnerinnen und -gegner unterschiedlichster Couleur initiierten nationale Kampagnen stets im Spannungsfeld zwischen Erwägungen vor Ort und dem Austausch über globale Netzwerke. So standen etwa Aktivistinnen in Montevideo stets mit Gleichgesinnten der US-amerikanischen Temperenzbewegung gegen den Alkoholismus als gemeinsame Bedrohung in Kontakt, versuchten sich jedoch gleichzeitig von den 'Schwestern' im Norden abzugrenzen. Sönke Bauck untersucht auf Basis bislang unerschlossener Quellen die Interaktionen und Kampagnen einer globalen Temperenzbewegung am Rio de la Plata - einer Bewegung, die?letztlich ein Terrain der Konfrontation und Aushandlung nationaler, kultureller und religiöser Identitäten sowie von Geschlechternormen, Familienmodellen und schließlich auch Weltbildern und Weltordnungsentwürfen war.

Sönke Bauck studierte Iberische und Lateinamerikanische Geschichte, Mittlere und Neuere Geschichte sowie Politikwissenschaft in Köln, Madrid, Riga und Mérida (Venezuela). 2016 promovierte er an der ETH Zürich in Globalgeschichte. Während der Promotion erhielt er Fellowships für Aufenthalte an der Hebrew University in Jerusalem und der Universität Bielefeld. Seit 2016 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Schweizerischen Nationalfonds in Bern.