Ödipuskomplex und Ödipusfabel: Lebenstatsachen bei Sophokles

Der Gedanke aus Totem und Tabu, daß im Ödipuskomplex die »Anfänge von Religion, Sittlichkeit, Gesellschaft und Kunst zusammentreffen« (Freud 1912-13) wird vom Autor als keineswegs überholt angesehen. Inzwischen hat Freuds These vom »Urvatermord« außerhalb der Psychoanalyse durch den Kulturanthropologen René Girard eine Überarbeitung erfahren, die es wert ist, zur Kenntnis genommen zu werden. Statt von »Urvatermord« spricht Girard von »Gründungsgewalt«. Da auch Girard sich auf Sophokles’ Tragödien und die in ihnen enthaltenen Lebenstatsachen bezieht, sind sie geeignet, diese Weiterentwicklung im Bereich der Kulturanthropologie zu belegen. Der Autor beginnt beim Ödipuskomplex (1) und seinen Erweiterungen, die er durch Melanie Klein erfahren hat (2). Die Tragödien des Sophokles (die Ödipusfabel) enthalten aber auch Themen, die über die Lesart der Psychoanalyse hinausweisen: Ödipus’ Geburt und die Verstoßung des Neugeborenen (3), die Pest in Theben, eine massenpsychologische Katastrophe (4), Ödipus’ Tod und seine Sakralisierung (5). Diese Lebenstatsachen sind in allen Kulturen der Lenkung durch Riten unterworfen. Riten haben Behälterfunktion. Bions Container-Modell ist das allen Riten unterliegende strukturierende Prinzip und zugleich der Kern dieser überarbeiteten kulturanthropologischen Synthese.

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