Österreichisches Gedächtnis

Erinnern und Vergessen Die AutorInnen entwickeln aus zeitgeschichtlicher, soziologischer und psychoanalytischer Perspektive einen kritischen Blick auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit in Österreich. Sie stützen sich auf Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Wie haben Männer und Frauen das Erlebte verarbeitet, und welchen Sinn geben sie ihren lebensgeschichtlichen Erfahrungen aus dieser Zeit? Diese Fragen sind nicht unabhängig von kulturell etablierten Geschichtsbildern zu beantworten. Das individuelle Gedächtnis stützt sich stets auf gesellschaftlich vorherrschende Rekonstruktionen von Vergangenheit. Kritische Erinnerungsarbeit Das Buch ist erstmals 1993 und dann 1997 in einer zweiten Auflage erschienen. Die vorliegende Neuausgabe ist eine Überarbeitung der Studie von 1993 und enthält zwei neue Beiträge: Ruth Wodak führt in den zeitgeschichtlichen Kontext der Debatten um den damaligen Bundespräsident Kurt Waldheim ein. In einem Nachwort diskutieren Waltraud Kannonier-Finster und Meinrad Ziegler Aspekte, die die Studie auch für gegenwärtige Fragen einer kritischen Erinnerungsarbeit bedeutsam machen können. 'Differenziert, normativ aber nicht moralisierend werden die vielen Grautöne in der österreichischen Vergangenheitspolitik der letzten Jahrzehnte klar vor Augen geführt. Nicht nur offizielle Stimmen sondern auch jedermann und jede Frau werden in den sensiblen und doch direkt geführten Interviews hörbar. Damit leistet dieses Buch einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der komplexen Verflechtungen von Gefühlen, Meinungen, Ideologien und Interessen wie auch Fakten und Tatsachen in der österreichischen Nachkriegsgeschichte.' (Ruth Wodak)

Meinrad Ziegler ist Soziologe und arbeitet am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz. Lehre und Forschung liegen in den Bereichen der theoretischen Soziologie, der Biografieforschung und der Methodologie qualitativer Methoden. Interviewprotokolle mit ihren Erzählungen über Erfahrungen und Ereignisse versteht er Dokumente von subjektiven Wahrheiten, die es zu objektivieren gilt. Breites theoretisches Wissen ermöglicht es, 'zwischen den Zeilen' zu lesen und dabei latente Bedeutungen der narrativen Äußerungen aufzuspüren. Waltraud Kannonier-Finster ist Soziologin und war am Institut für Soziologie der Leopold-Franzens- Universität Innsbruck tätig. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in der Biografieforschung, in den qualitativen Methoden sowie in der Methodologie soziologischer Fallstudien. Analysen von Lebensgeschichten enthalten für sie enorm wichtiges gesellschaftspraktisches Wissen. Sie verweisen einerseits auf soziale, kulturelle und strukturelle Bedingungen des Handelns und können sich andererseits starrer Deutungen über kausale Ursachen dieses Handeln enthalten. Damit wirken sie anregend für eigenständiges kritisches Denken.