Pestvisionen. Über Machtprinzipien, ihre Beziehungen und möglichen Konsequenzen in Antonin Artauds 'Das Theater und die Pest' und Michel Foucaults 'Überwachen und Strafen'
Autor: | Heiko Michels |
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EAN: | 9783668304550 |
eBook Format: | |
Sprache: | Deutsch |
Produktart: | eBook |
Veröffentlichungsdatum: | 22.09.2016 |
Kategorie: | |
Schlagworte: | antonin artauds beziehungen foucaults konsequenzen machtprinzipien michel pest pestvisionen strafen theater über überwachen |
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Studienarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Theaterwissenschaft, Tanz, Note: 1, Freie Universität Berlin (Theaterwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Artauds Schilderung der Pestzustände beruft sich auf keine direkten, geschichtlichen Quellen. Dass die Pest einen generellen Anarchiezustand, einen totalen Zusammenbruch der gesellschaftlichen und individuellen Ordnungen verursacht, ist zunächst Fiktion. Daniel Defoe beschreibt in 'A Journal of the Plague Year' anhand geschichtlicher Quellen die große Londoner Pest von 1665, die er als fünfjähriger miterlebt hat. Bei dieser Schilderung ist festzustellen, daß es (in diesem Fall) nie zu einem totalen Zusammenbruch der Ordnung gekommen ist. Bei früheren Pestepidemien mag es Zustände, wie von Artaud geschildert, gegeben haben, doch das sind Vorstellungen, zu denen es für uns wie für Artaud keine genauen Quellen gibt. Aber auch Foucaults politische Vorstellung einer lückenlos disziplinierten und überwachten Pestgesellschaft scheint real nicht existiert zu haben, und Foucault bietet uns keine Quelle ihrer Realisierung. Die Marseille Pest konnte 1720 (nach dem erscheinen des von Foucault zitierten Reglements) die südfranzösische Bevölkerung um ein Drittel dezimieren, was eine auch nur annähernde Realisierung der gewünschten Ordnungsstrategien unmöglich erscheinen läßt. Als 1994 in Indien die Pest ausbrach, berichtete die ( trotz der heutzutage geringen Gefahr weltweit stark reagierende) Presse, daß Ärzte ihre Praxis verließen, Krankenschwestern die Krankenhäuser, die Stadtverwaltung war 'praktisch nicht mehr existierend'. Eine paramilitärische Polizeitruppe durchsuchte die westindische Stadt Surat, das Zentrum der Seuche, nach Kranken, um sie zwangsbehandeln zu lassen. Vor den größten Kliniken waren Wachen postiert, um die Flucht von Kranken zu verhindern. Trotzdem verschwanden von 300 eingelieferten Patienten 60. Insgesamt sollen aus Surat 400 000 Menschen geflohen sein. Natürlich finden sich beide Vorstellungen - Zusammenbruch der alltäglichen Ordnung - Parzellierung und Überwachung der Individuen - ansatzweise in Pestschilderungen (z.B. Defoe) wieder, doch nicht in ihren Vollendungen. Folglich handelt es sich um zwei Fiktionen, deren Inhalte sich konträr widersprechen. Im Folgenden will ich die Beziehungen dieser Fiktionen und die Beweggründe ihrer Formulierung untersuchen, um dann Artaud und seinen Text 'Le Theatre et la Peste' unter Einbeziehung von Foucaults Vorstellungen zu betrachten.