Poesie und Naturwissenschaft in Goethes Altersgedichten

Karl Richter zeigt am Beispiel der Alterslyrik Goethes, auf wie vielen Wegen seine naturwissenschaftliche Arbeit die Poesie und Poetologie seiner Gedichte mit geprägt hat. Die naturwissenschaftlichen Arbeiten Goethes werden oft als das ganz Andere, womöglich Entbehrliche betrachtet, gerade auch von Freunden seiner Dichtung. Gegen solche Verkürzungen der Rezeption stellt Karl Richter am Beispiel der Alterslyrik Goethes dar, was Poesie und Poetologie dem produktiven Dialog von Dichtung und Naturforschung im Schaffen Goethes verdanken. Naturphänomene, die den Forscher beschäftigen, bilden auch einen zentralen Bereich lyrischer Symbolik. Naturwissenschaftliche Denkbilder - Metamorphose, Polarität und Steigerung, wiederholte Spiegelungen - verwandeln sich in Prinzipien poetischer Strukturierung. Zeitgeschichte wird aus dem weiten Zusammenhang einer alles Leben umschließenden Naturgeschichte gedeutet. Kunst und Naturbeobachtung wirken in Formen einer lyrischen Katharsis zusammen. Erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wird zunehmend erkannt, wie neuartig, ja modern die Alterslyrik Goethes ist. Am Beispiel des »West-östlichen Divan' und Gedichten der Spätzeit Goethes zeigt Karl Richter, wie viel zu ihrer Poesie beigetragen hat, dass Goethe nicht nur Dichter war.

Karl Richter, geb. 1936, war Professor für Neuere Deutsche Philologie und Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes. 2002 wurde er emeritiert. Einen besonderen Schwerpunkt seiner Forschungen bilden Goethe und die Goethezeit. Er ist Herausgeber der Münchner Ausgabe von Goethes Sämtlichen Werken nach Epochen seines Schaffens. Sein besonderes Augenmerk gilt seit längerem interdisziplinären Fragestellungen. 2001 erhielt er die Goldene Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft in Weimar.

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