Politik der Gefühle

Über das Buch Als Kurt Waldheim 1986 für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten kandidierte, wurde bekannt, daß er Mitglied des SA-Reitersturms war. Keineswegs sanken daraufhin seine Chancen für die Wahl. Im Gegenteil: Unter den Wählern stieg die Zustimmung für seine Person rapide an. Diese Tatsache macht Josef Haslinger zum Ausgangspunkt seines Essays über Österreich. Er versucht zu verstehen, welches Verhältnis der Österreicher zur Vergangenheit hat, aber auch welches Verhältnis zur demokratischen Gegenwart durch diese Wahl zum Ausdruck kam. Dabei interessiert ihn Waldheim letztlich nur als politischer Repräsentant einer politischen Stimmungslage, als markantes Ergebnis eines weithin vorherrschenden gesellschaftlichen Klimas. Haslingers Analyse versucht gleichsam das psychosoziale Unterfutter zu sondieren, das Wahlentscheidungen wie die für Waldheim möglich macht. Der Essay wird damit auch zu einer Abrechnung mit der Sozialdemokratie, die, schon bevor Waldheim triumphierte, den Entschluß faßte, von der Vergangenheit dieses Kandidaten (und also auch von der Vergangenheit Österreichs) zu schweigen - eine Kapitulation vor dem Wunsch nach politischem Vergessen und Verdrängen. Nicht zuletzt ist Haslingers Buch ein wortmächtiges Plädoyer für eine andere Politik, die sich frei macht von dem alten, längst überlebten Lagerdenken, von den längst unfruchtbar gewordenen Gegenüberstellungen von Ost und West, Rechts und Links.

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