Problem, Geschichte, Form.

Ernst Cassirers (1874-1945) Denken erfährt in den letzten Jahren eine große Aufmerksamkeit. Das hat seinen Grund darin, daß dieses Denken sich als offenes System einer Gesamtphilosophie darstellt, eine auch interdisziplinär fruchtbare Verbindung vor allem von Erkenntnistheorie, Kulturphilosophie und Anthropologie, deren Zentrum eine spezifische Symboltheorie bildet. Die Besonderheit von Cassirers Philosophie liegt aber auch in der durchgängig intensiven Verbindung seiner systematischen Thesen mit der Ideen- und Geistesgeschichte, die Cassirer mit überragender, umfassender Gelehrtheit vorträgt. System und Geschichte sind hier auch zu einer Philosophiegeschichtsschreibung verbunden, die Bewunderung ebenso erfahren hat wie harte Kritik, sich aber vielgestaltiger ihrem Gegenstand anpaßt als allgemein bekannt. Der Verfasser gibt eine unvoreingenommene Darstellung von Cassirers historiographischer Methode, als deren Voraussetzungen das Kontinuitätspostulat und der Primat von Form und Synthese herausgestellt werden und die als philosophische Ideengeschichte variiert zwischen einer Problemgeschichte, einer Epochengeschichte und der Darstellung der Lehre eines großen Einzelnen. Als historische Bezugspunkte seiner Ideengeschichte werden Wilhelm von Humboldt, Ranke und Goethe ausgewiesen. Anhand vielfältigen Materials aus Cassirers zeitgenössischem Umfeld und seinen Vorgängern sucht der Autor nachzuweisen, daß Cassirers Denken in seinen systematischen Werken wie in seiner Philosophiehistoriographie eine harmonische Verflechtung von System bzw. Philosophie und Geschichte anstrebt. Durch die Darstellung von Cassirers methodischen, systematischen und historischen Überzeugungen zeigt sich, daß die Grunddimensionen seiner Philosophie: Problem, Geschichte und Symbol, ihre Struktureinheit im Begriff der »Form« haben.