Querdenker der Aufklärung

Johann Georg Hamann wurde in der älteren literaturgeschichtlichen Forschung vielfach als bloßer Vorläufer Herders betrachtet, dessen literarischer Spürsinn und irrationaler Glaube ihren Ausdruck in orakelnden Aphorismen fanden und deswegen von der jüngeren Generation als krauses Originalgenie verehrt wurde. Die völlig disparate theologisch-philosophische Forschung untersuchte das Denken des unorthodoxen Lutheraners und seine Wirkung auf die deutschen Erweckungsbewegungen im 19. Jahrhundert und Kierkegaard. Jørgensen sieht Hamann hingegen im Kontext seiner Zeit und erblickt in ihm den aufgeklärten Metakritiker der Aufklärung, der mit führenden Gelehrten wie dem Orientalisten J. D. Michaëlis und Kant diskutierte und vehement polemisierte. Er stammelte nicht, war vielmehr rhetorisch versiert, die anspielungssreiche Dunkelheit seines Stils war angriffslustige Strategie. Er stilisierte sich als einen subversiven Sokrates und, sehr doppeldeutig, als 'kreuzziehenden Philologen' und des preußischen Königs Zöllner, aber auch als eine (im Sinne der Zeit) 'komische' Mischung von einem christlichen Don Quixote und Sancho Pansa.

Johann Georg Hamann (1730-1788), deutscher Philosoph und Schriftsteller, gilt als Wegbereiter des 'Sturm und Drang'. Goethe nannte ihn einen der hellsten Köpfe seiner Zeit. Der Autor: Sven-Aage Jørgensen (geb. 1929), 1968-1999 Professor für deutsche Philologie an der Universität Kopenhagen, Gastprofessuren in Deutschland und Australien, Forschungsaufenthalte in Wolfenbüttel, Biberach und Göttingen. Arbeiten u. a. zu J. G. Hamann, C. M. Wieland, Th. Fontane, Utopieforschung und deutsch-dänischen Literaturbeziehungen.

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