Realitätsverlust und Geschlechterdifferenz im 'Narzisslied' Heinrichs von Morungen
Autor: | Thies J. Hansberg |
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EAN: | 9783346835291 |
eBook Format: | |
Sprache: | Deutsch |
Produktart: | eBook |
Veröffentlichungsdatum: | 16.03.2023 |
Kategorie: | |
Schlagworte: | Antikerezeption Heinrich von Morungen Mediävistik Minnesang Mittelhochdeutsch Narzisslied Narziss und Echo Ovid Weiblichkeit |
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Studienarbeit aus dem Jahr 2022 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 1,0, Universität Leipzig (Institut für Germanistik), Veranstaltung: Seminar 'Minnesang um 1200', Sprache: Deutsch, Abstract: Nach einem kurzen Formkapitel sollen im Folgenden die verschiedenen Ebenen der im Narzisslied dargestellten Realität analysiert werden: Welche Bedeutung haben diese jeweils für das Verhältnis von Sänger und Minnedame? Welches Geschlechterverhältnis lässt sich darin erkennen? Inwiefern bemüht sich Morungen um eine Einhaltung der Minnesangkonvention, versucht er diese zu umgehen? Besonderes Augenmerk liegt außerdem auf dem Narzisslied als Produkt der Retextualisierung. Dafür soll die Analyse auch immer im Spiegel der ovidianischen Textvorlage und der dort dargestellten Figurencharakterisierung betrachtet werden. Ein junger Mann, der von allen begehrt wird, dem zuletzt aber nur er selbst genügt, der sich selbst verfällt und daran zugrunde geht; eine Verwandlung, eine Metamorphose, die vermeintliche Erlösung vom Leiden bringt - der antike Mythos von Narcissus, zuerst verfasst in den Metamorphoses Publius Ovidius Nasos (? ca. 17 n. Chr. in Tomis) , fand durch Heinrich von Morungens (? ca. 1220 in Leipzig) vierstrophiges Lied Mir ist geschehen als einem kindelîne, einer Nachempfindung des provenzalischen Liedes Aissi m'ave cum al petit, auch Eingang in den Kanon deutschsprachigen Minnesangs. Darin verflechtet der höfische Dichter das Narzissmotiv von ungebrochener Liebe, die in Leid und Tod endet, mit den basalen Konzepten der hohen Minne. Als zu den 'am meisten besprochenen Werken Morungens' zählendes Werk ist das Narzisslied ein besonderes: Im klassischen Minnesang finden sich Antikereferenzen mit eindeutigen Figurenzuschreibungen, trotz der hohen Faszination vieler Dichter für die Werke Ovids und Vergils, nur sehr spärlich - auch, weil beim Publikum kaum breites Wissen über die Figuren und Details der Mythen vorausgesetzt werden konnte. Der Verweis auf den Narzissmythos bleibt allerdings auch bei Morungen inexplizit. Weder spricht der Autor aus, dass es sich bei der von ihm gezeichneten Szenerie um eine Retextualisierung handelt, noch taucht der Name Narziss im Lied auf: Morungen liefert zwar eine kulturelle Referenz für Kenner*innen antiker Mythologie, die sofort verstanden wird, sofern die ovidianische Vorlage bekannt ist; er macht die Kenntnis des Prätextes aber eben nicht zur Voraussetzung des Textverständnisses - eine für die Zeit der höfischen Literatur zumindest beachtenswerte Kunstauffassung.