Rechtssprache Europas.

Die 'Heidelberger Gruppe der Rechtslinguistik' (www.recht-und-sprache.de) widmet sich in ihrem vierten gemeinsamen Band mit dem Europarecht einem Gebiet, das neuartige Probleme aufwirft: aus seinem supranationalen Ursprung, wegen seiner inzwischen zwanzig gleichrangigen Nationalsprachen, wegen seiner Vielheit von Rechtskulturen. Das Recht der Union expandiert beschleunigt - 'in die Breite' nach seiner schieren Masse, auf inzwischen praktisch allen Rechtsgebieten; und es breitet sich 'in die Tiefe' aus, nämlich unmittelbar in das Innenleben der nationalen Rechte. Um auf praktikable Weise in der Wirklichkeit anzukommen, braucht es aber eine gemeinsame Sprache; und diese Sprache sollte von den Bürgern Europas angenommen werden können, darf also ihre Nationalsprachen nicht überwältigen. In diesem noch offenen Vorgang des Herausbildens einer Rechtssprache Europas spielen hierarchisch zentralistische wie auch interaktionistisch dezentrale, im Ganzen also gegenläufige Faktoren und Bestrebungen eine Rolle. Um so schwerer ist es beispielsweise, trotz alles dessen eine hinreichende Rechtssicherheit zu gewährleisten, die ohne Verlässlichkeit der sprachlichen Formen nicht denkbar ist. Der vorliegende Band diskutiert einen wichtigen Teil der Probleme, die sich der Übersetzungswissenschaft, der Linguistik und der Jurisprudenz auf diesem Feld stellen: auf der Ebene der europäischen Verfassungstheorie, in den komplexen Fragen der Mehrsprachigkeit und in den Ansätzen zu einer gemeineuropäischen Methodik in der Arbeit der Gemeinschaftsgerichte. Überhaupt spielt die Justiz bei der Entwicklung des europäischen Rechts und seiner Sprache eine zentrale Rolle; dem entspricht es, dass auch die vor kurzem erschienene Arbeit 'Juristische Methodik, Band II - Europarecht' (von F. Müller und R. Christensen) wesentlich auf Analysen der Praxis der Gerichtshöfe der Union basiert. Der vorliegende Band geht auch diesmal wieder interdisziplinär vor und schließt ferner Beiträge einer Reihe von Praktikern aus den europäischen Institutionen ein.