Reinheitsdiskurse in Goethes "Iphigenie auf Tauris", Schillers "Die Jungfrau von Orleans" und Grillparzers "Das goldene Vließ". Ideal und Utopie?

Magisterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,5, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Neuphilologische Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, die Reinheitsdiskurse in Goethes 'Iphigenie auf Tauris', Schillers 'Die Jungfrau von Orleans' und Grillparzers 'Das goldene Vließ' begrifflich zu fassen und hinsichtlich ihrer textimmanenten Funktion und ihres ideengeschichtlichen Ortes zu analysieren. Dabei wird versucht, die Ergebnisse aus Mary Douglas' ethnologischem Standardwerk Reinheit und Gefährdung für die Analyse fruchtbar zu machen. Im Rückgriff auf Douglas' Anmerkungen zur Wirkungsmacht von Ritualen wird anhand der Iphigenie und des goldenen Vließes nachgewiesen, dass (Reinheits-)Rituale auch in der Literatur die Funktion der Konstitution von Wirklichkeit, der Stabilisierung von Ordnungen und der Selbstvergewisserung einer Kultur erfüllen. Den Ausgangspunkt der tragischen Handlung der drei Dramentexte bildet jeweils eine Krisensituation, eine Bedrohung der bestehenden Ordnung. Diese Bedrohung wird hier verstanden als Gefährdung durch vermeintliche Verunreinigung durch das Andere, durch das Fremde. Die drei hier behandelten Dramentexte wurden deshalb verstanden als Ausdruck der aufklärerischen Totaltransformation: Sie sind Teil einer kollektiv-kulturellen, ideengeschichtlichen Auseinandersetzung über die Ablösung einer Ordnung durch eine andere. Insofern die Reinheitsdiskurse auf ontologisch-ethische Ideale der Aufklärungsphilosophie rekurrieren, sind die Dramentexte als literarische Auseinandersetzung und Verarbeitung der Verwerfungen und Transformationen des Entstehungszeitraumes zu verstehen. Die Reinheitsdiskurse sind Ausdruck dessen: Sie sind Medium der Auseinandersetzung über Werte und Normen, die soziale und kulturelle Ordnungen konstituieren, stabilisieren oder desavouieren. Desgleichen werden über Reinheitsdiskurse Verlustgeschichten in den Blick genommen, die auf die durch die Aufklärung geborene Moderne referieren. In diesem Sinne können die hier verhandelten Texte als Kulturkritik verstanden werden: Als Reflexionen über die Möglichkeiten, aber auch die Zumutungen der Moderne. Die Einbettung der Stoffe in Diskurse über Reinheit und Verunreinigung ermöglicht das symbolische Sprechen über kultur- und zeitenübergreifende Wertungs- und Ordnungsschemata.