Religionswissenschaftliche Minoritätenforschung

Hannelore Müllers Studie widmet sich am Beispiel der Karäer der theoretischen Grundlegung der religionswissenschaftlichen Kategorie religiöser Minoritäten, ihrer Typologisierung und Analyse. Den thematischen Schwerpunkt bilden dabei endo- und exogene Faktoren der religionsgeschichtlichen Dynamik der Karäer im Osten Europas im 19. und 20. Jahrhundert und die Frage ihres kollektiven Erhalts. Als notwendiges Analyseinstrument religiöser Pluralität präsentiert Müller dabei ein generisches Minoritätenmodell, das auf den für jede religiöse Minorität zentralen Aspekten ihrer Existenz aufbaut: Genese, Assimilation und Erhalt. Diese gelten auch für die Karäer, die aufgrund ihrer Ablehnung des Talmud im babylonischen Judentum des 8./9. Jhs bis heute eine doppelte religiöse Minorität darstellen. Eine der Antworten auf die Frage, wie diese kleine Minorität es geschafft hat, sich über 1200 Jahre nicht in der Geschichte zu verlieren, liegt in ihrem historisch privilegierten Status; so beantragten die Karäer 1938 bei der deutschen nationalsozialistischen Regierung ihre Anerkennung als Nicht-Juden, die ihnen schließlich 1943 auch gewährt wurde. Müller wertet für die Aufarbeitung dieser Periode karäischer Religionsgeschichte in Europa altes und neues Archivmaterial aus Berlin, Paris und New York aus, das in einem Anhang zum Teil erstmalig publiziert wird.

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