Reportage Indien

Indien, schrieb der wunderbare Shashi Tharoor, sei ein hoch entwickeltes Land, aber eines im Zustand fortgeschrittenen Verfalls. Ein Gedanke, der den latent größenwahnsinnigen Westen zurechtstutzt und andererseits hart ins Gericht geht mit geschichtsvergessenen Indern, die keine Ahnung mehr vom eigenen Erbe haben. Karin Steinberger hat sich diesem großen, lauten, verrückten, überfordernden, tiefsinnigen und dann wieder erstaunlich banalen Subkontinent mit dem Wissen genähert, letztlich nichts zu wissen. Sie hat sich von einem Neunzigjährigen erklären lassen, wie man die von den englischen Kolonialherren eingeschleppte Prüderie wieder loswird, sie hat Frauen besucht, die Vergewaltigungen und Degradierungen nicht mehr einfach hinnehmen wollen, und sie war in einem Callcenter, in dem es kein größeres Vergehen gibt als das, als Inder erkannt zu werden.

Karin Steinberger, geboren 1967 bei München, Ausbildung in der Deutschen Journalistenschule München. Seit 1998 arbeitet sie für die 'Süddeutsche Zeitung'. Ende 1999 war sie gerade in Bangladesch, als ein Zy­klon große Teile des indischen Bundesstaats Orissa zerstörte. Auf diese erste, traurige Begegnung mit dem Subkontinent folgten zahllose weitere. 2003 wurde sie vom indischen Kulturrat für ihre Reportagen mit dem Gisela-Bonn-Preis ausgezeichnet.