Russische Musik in Westeuropa bis 1917

'Russische Musik' konfrontierte die westeuropäischen Nachbarn ab den 1860er Jahren mit einem neuen Repertoire, das ebenso befremdete wie faszinierte. Dieser Band vergleicht die Transferprozesse und die Gründe für die unterschiedliche Resonanz in Deutschland, Frankreich, England und Italien. Ab den 1860er Jahren rückten russische Komponisten zunehmend ins Blickfeld des internationalen Musiklebens. Der Band bietet, ausgehend vom Ansatz der Kulturtransferforschung, erstmals einen länderübergreifenden Vergleich, wie russische Musik nach Westeuropa gelangte, wie sie dort wahrgenommen und für eigene Bedürfnisse genutzt wurde. 16 Fallstudien legen neue Fakten zur Verbreitung russischer Werke vor, beleuchten wichtige Vermittler (wie Franz Liszt, Hans von Bülow, Sergej Kusevickij oder den Impresario Bernhard Pollini) und arbeiten die unterschiedliche Resonanz auf das russische Repertoire heraus. Der Austausch mit dem deutschsprachigen Raum setzte etwas früher und breiter ein als mit Frankreich, wo das Repertoire ab den 1880er Jahren jedoch eine weit intensivere ästhetische Diskussion auslöste; Italien und Großbritannien entwickelten ebenfalls spezifische Rezeptionstraditionen. Dabei wurde auch die innerrussische Differenzierung zwischen vermeintlich 'westlich' orientierten Komponisten und 'Slawophilen' je unterschiedlich aufgegriffen. Insgesamt ermöglichen die Beiträge ein differenziertes Verständnis der Rezeption und Konstruktion 'typisch' russischer Züge vor dem Hintergrund der eigenen Interessen im jeweiligen Land. Der Band enthält Beiträge von Steven Baur, Lucinde Braun, Philip Ross Bullock, Christoph Flamm, Anna Fortunova, Inga Mai Groote, Hans-Joachim Hinrichsen, Roland Huesca, Stefan Keym, Jeanna Kniazeva, Helmut Loos, Vincenzina C. Ottomano, Marina Raku, Dorothea Redepenning, Wolfram Steinbeck und Stefan Weiss.

Inga Mai Groote ist Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Zürich. Forschungsschwerpunkte: Musikgeschichte der frühen Neuzeit im deutschsprachigen Raum und des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Frankreich, Geschichte der Musiktheorie u. a. Stefan Keym ist Professor für Musikwissenschaft an der Université Toulouse Jean Jaurès. Forschungsschwerpunkte: Neuere Musikgeschichte Deutschlands, Frankreichs und Osteuropas, u. a. Kulturtransfer- und Repertoireforschung.