Schriften zum Streit um die göttlichen Dinge und ihre Offenbarung

Der Streit um die Göttlichen Dinge (1811/12) ist - nach dem Pantheismus-Streit (1785) und dem Atheismusstreit (1799) - der dritte große Streit um das Verhältnis von Philosophie und Religion. Während in den beiden erstgenannten Streitsachen das Verhältnis der Philosophie Spinozas bzw. Fichtes zum herkömmlichen Theismus zur Debatte stand, wird der Streit um die Göttlichen Dinge um die Bestimmung eines zureichenden Begriffs des Theismus selbst geführt. Ausgelöst hat ihn Jacobi mit seiner im vorliegenden Band edierten Schrift »Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung« (1811). Hier erhebt er gegen die Identitätsphilosophie Schellings die scharfe Anklage, dass in ihr der Pantheismus im lügenhaften Gewand des Theismus auftrete. Ergänzt wird diese Schrift durch Jacobis Vorbericht zu Band III seiner Werke (1816) sowie den Vorbericht zur zweiten Auflage (1816), in denen Jacobi im Rückblick auf den Streit der vorangegangenen Jahre seine Position nochmals artikuliert, sowie durch einen handschriftlichen Entwurf. - Der ausführliche Kommentar leistet erstmals die Identifizierung der von Jacobi gegen Schelling erhobenen Vorwürfe in dessen Schriften und bildet eine Voraussetzung zur angemessenen Beurteilung des Streits.

Friedrich Heinrich Jacobi, geb. 1743 in Düsseldorf, gest. 1819 in München, Philosoph und Romanautor, gehört zu den bedeutendsten Repräsentanten der Klassischen deutschen Philosophie und gilt als ihre »graue Eminenz«. Er selbst hat sich einen »privilegierten Ketzer« genannt und damit seine epochale Doppelrolle markiert. Aufgrund seiner durchgreifenden Problemanalysen, die zunächst der Metaphysik Spinozas und der gerade erschienenen Transzendentalphilosophie Kants gewidmet waren, avancierte er nicht nur zum überall präsenten Anreger, sondern profilierte sich auch lange vor Kierkegaard als der erste vehemente Kritiker der nachkantischen Systemphilosophie. Die unorthodoxe Textur seiner Schriften spiegelt ein Leben fernab akademischer Zwänge. Umfassend belesen und mit der Prominenz der Zeit bekannt oder (wie mit Wieland, Goethe, Hamann, Herder und Claudius) befreundet, agierte Jacobi als weltgewandter homme des lettres, der das reichste Korrespondenzcorpus der Epoche hinterlassen hat. 1807 wurde er zum ersten Präsidenten der Münchener Akademie der Wissenschaften ernannt, der er bis 1812 vorstand. »Wie ein Donnerschlag vom blauen Himmel herunter« (Hegel) wirkte seine, die sog. Spinoza-Renaissance auslösende Publikation »Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn« (1785; 2., erg. Aufl. 1789). Zugespitzt in der wirkmächtigen Formel vom »Seyn in allem Daseyn« wurde Spinozas Metaphysik der Immanenz hier erstmals als modernes Systemparadigma konsequenter Rationalität rekonstruiert. Im anhaltenden Streit um ein überzeugendes »System der Freiheit« sah sich v.a. das Denken Fichtes, Schellings und Hegels durch Jacobis Analyse herausgefordert und, durch Jacobis einflussreiche Kritik an Kants Lehre vom »Ding an sich« (»David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus«, 1787) motiviert, auch über Kant hinausgetrieben. Parallel zum Erfolg seiner Wirkungsgeschichte geriet Jacobi jedoch selbst ins irrationale Abseits sog. »Glaubens- und Gefühlsphilosophie«, während er tatsächlich auf dem Konzept einer qualitativ von Rationalität zu unterscheidenden Vernunft insistierte. Mit der metaphysischen Tragweite dieser Differenz verband er auch die Unterscheidung der Begriffe von Grund und Ursache, die als seine bedeutendste philosophische Leistung gewürdigt werden muss. Der logische Zusammenhang von Grund und Folge ist etwas ganz anderes als der zeitliche Zusammenhang von Ursache und Wirkung, der sich ursprünglich im Handeln konkreter Personen manifestiert. Diese zunächst in der Auseinandersetzung mit Spinoza formulierte These sah Jacobi auch durch die nachkantische Systemphilosophie bestätigt, weshalb er im Atheismusstreit gegen Fichtes Wissenschaftslehre (»Jacobi an Fichte«, 1799) und im späteren Theismusstreit gegen Schellings Bemühungen um ein personalistisch gewendetes System (»Von den Göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung«, 1811) argumentierte.

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