Siedlungsgeschichte im mittleren Osttigrisgebiet

Die Region zwischen den Flüssen Tigris, Großer Zab und Diyala und den Randhängen des Zagros-Gebirges zeichnet sich durch eine große landschaftliche und klimatische Diversität aus. Diese prägte vom 7. bis 1. Jahrtausend v.Chr. nicht nur nachhaltig menschliches Siedlungsverhalten, sondern auch die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen zu benachbarten Regionen, so dass sich das Gebiet in vielfacher Hinsicht als Grenzregion fassen lässt. Simone Mühl geht in ihrer Untersuchung zur wechselseitigen Geschichte des mittleren Osttigrisgebiets von archäologischem Material aus Notgrabungen des irakischen Antikendienstes in der Umgebung von Assur, der ersten Hauptstadt des assyrischen Reiches, aus. Um Aspekte kultureller Unterschiede oder Gemeinsamkeiten der Kulturgruppen nördlich und südlich des Kleinen Zab näher zu beleuchten, werden die Funde und Befunde dieser Untersuchungen in einen regionalen und überregionalen Kontext eingebettet. Zudem wird die Analyse des archäologischen Materials mit der Fernerkundung der Region anhand von Satellitenbildaufnahmen kombiniert. Dabei wird die Landschaft auf anthropogen verursachte Veränderungen untersucht und es konnten beispielsweise 1672 Tell- und Flachsiedlungen lokalisiert sowie das antike Verkehrs- und Bewässerungsnetz in erhaltenen Teilen kartiert, rekonstruiert und kontextualisiert werden. Mühls Studie liefert nicht nur wichtige Einblicke in das Wechselspiel von Innovation und Kulturtransfer, sondern auch in die Abgrenzung von Kulturgruppen im mittleren Osttigrisgebiet und bildet so die Grundlage für ein neues Verständnis ökonomischer und soziokultureller Entwicklungen, die der Region am Tigris ihr noch heute sichtbares Gepräge gegeben haben.