Situiert denken. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Theorie der Befreiung von Christoph Menke

'Eine dezidierte philosophische Herausforderung der Gegenwart könnte darin liegen, Rechenschaft über die Situiertheit des Denkens abzulegen. In vielen universalismuskritischen Positionen feministischen, ökologischen oder dekolonialen Typs geht es um die Zurückweisung eines »Blicks von nirgendwo« (Haraway), der für sich reine Objektivität reklamiert und sich dagegen immunisiert, seine spezifische Perspektivität anzuerkennen. In der philosophischen Tradition der Skepsis finden sich epistemische Ressourcen, die dogmatische »Zuschauertheorie des Erkennens« (Dewey) auf Abstand zu halten. Im ästhetischen Denken seiner Theorie der Befreiung hat Christoph Menke einen Vorschlag unterbreitet, die Erfahrung der Negativität im Sinne einer materialistischen Dialektik auszuzeichnen. Ihre kritische Stellung zu Hegels Idealismus realisiert einige wichtige Aspekte der skeptisch inspirierten Affirmation der situierten und nicht subjektiv beherrschten Erfahrung. Ihre anthropologische Konstruktion einer ästhetischen Natur des Menschen bleibt aber dennoch einer Dialektik treu, die auf die Überwindung des situierten Denkens spekuliert. Beginning with Hegel''s examination of the concept of critique, it will be shown that Hegelian dialectics already represents a form of situated thinking. Because dialectical thinking takes the historical becoming of its own concepts and categories as its starting point, the elucidation of its own presuppositions can only proceed immanently, through reflection on the present historical and social situation. However, Hegel''s extension of this situatedness to the idea of a world history proves untenable, not least because of its Eurocentric orientation and a problematic idea of progress. With regard to Althusser''s materialist dialectic, based on Marx, it will therefore be shown how Hegel''s situated dialectic can be further developed without having to draw on a comprehensive philosophy of history.'