Sozialadäquanz im Strafrecht.

Die Rechtswissenschaft tut sich bei der Anwendung von Straftatbeständen schwer, gesellschaftliche Wertvorstellungen zu berücksichtigen. Unter inhaltlicher Entwicklung der weithin vernachlässigten Lehre Welzels schlägt Thomas Exner mit dem Topos »Sozialadäquanz« vor, formal-logische Tatbestandsurteile um eine subsidiär materielle Richtigkeitskontrolle zu ergänzen: Verhaltensweisen, die sozial unauffällig, allgemein gebilligt sowie geschichtlich üblich sind, sollen als »sozialadäquat« gerade nicht zu einem an sich (formell) verwirklichten Tatbestand zählen. Die rituelle Knabenbeschneidung, die - anders als bei Mädchen unter dem Stichwort »Genitalverstümmelung« - unter dem wertneutralen Begriff »Zirkumzision« bisher ein (straf)rechtliches Schattendasein führt, dient dabei als Beispiel eines Verhaltens, das wegen seines Kindeswohlverstoßes zwar letztlich formell eine gefährliche Körperverletzung ist, gleichwohl aber dem Unrechtsverdikt als sozialadäquat nicht unterfällt.

Thomas Exner wurde 1983 geboren und studierte Rechtswissenschaft sowie Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena mit einem Stipendium der »Studienstiftung des Deutschen Volkes«. Von 2008 bis 2010 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Geschichte des Strafrechts an der FSU. 2010 erfolgte die Promotion zum Dr. iur. Seine Publikationen umfassen u.a. Beiträge zur Rechtsdogmatik und -philosophie.

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