Spätabbrüche der Schwangerschaft bei pränatal diagnostizierter Behinderung und / oder Erkrankung des Fötus

Inhaltsangabe:Einleitung: Relevanz des Themas: ‘217 Fälle von Zweifel und Leid’, titelte die Berliner Tageszeitung ‘taz’ im November 2004. Gemeint waren die 217 Schwangerschaftsabbrüche jenseits der 23. Schwangerschaftswoche, sogenannte ‘Spätabbrüche’, deren Anzahl das Statistische Bundesamt für das Jahr 2003 bekanntgegeben hatte. Vorausgegangen ist solchen späten Abtreibungen eine schwierige und konfliktträchtige Zeit der Entscheidung für die betroffenen Schwangeren und ihre Partner. Die pränatale Diagnostik, heute weitestgehend zur Routine in der ärztlichen Schwangerenvorsorge gehörend, bietet die Möglichkeit, eine Vielzahl von Behinderungen und Erkrankungen des Ungeborenen bereits vorgeburtlich festzustellen. Therapien für diese erkennbaren Behinderungs- und Erkrankungsbilder gibt es bislang kaum. Wird eine Auffälligkeit entdeckt und ergibt sich durch weitere Untersuchungen eine Diagnose, kann dies eine medizinische Indikation zur Abtreibung darstellen. Die Frauen und Paare stehen dann vor der Entscheidung, ob sie dieses Kind austragen wollen oder die Schwangerschaft abbrechen. Da viele der Untersuchungen erst zu einem relativ späten Zeitpunkt während der Schwangerschaft, zu dem das Ungeborene in seiner Entwicklung bereits weit fortgeschritten ist, durchgeführt werden können, bedeutet ein Schwangerschaftsabbruch in diesem Stadium eine künstlich eingeleitet Totgeburt. Ermöglicht wird diese späte Abtreibung durch den §218a StGB, der die Straflosigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs für die Fälle vorsieht, in denen die Austragung den körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand der Frau beeinzuträchtigen droht. Dazu zählt auch die erwartete psychische Belastung durch ein behindertes Kind. Die letztlich bei den Eltern liegende Entscheidung für oder gegen diesen späten Schwangerschaftsabbruch bei diagnostizierter Behinderung oder Erkrankung des Ungeborenen erleben viele der Betroffenen als großen Konflikt. Während den Frauen als Patientinnen kaum Verantwortung für das Vorsorge- und Untersuchungsgeschehen zukommt, sollen sie im Falle einer festgestellten Erkrankung oder Behinderung des Ungeborenen plötzlich allein die Verantwortung für das weitere Vorgehen tragen. Die vielfältigen medizinischen, psychologischen, emotionalen, sozialen und natürlich ethischen Fragen, die dieser Entscheidungsprozess aufwirft, und die letztendliche Entscheidung über Leben und Tod des bislang erwünschten Ungeborenen können die Frauen und ihre Partner stark belasten [...]