Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert.

In dieser ebenso umfangreichen wie durch ihre weitgefächerten Fragestellungen bestechenden Studie untersucht der Verfasser am Beispiel der preußisch-deutschen Metropole Berlin das komplexe Verhältnis zwischen der Stadt als örtlich begrenztem Raum der Artikulation, Wahrnehmung und Repräsentation bürgerschaftlicher Interessen sowie der Begründung und Entwicklung teilnehmenden Gestaltens und Wirkens in der Gesellschaft. Das Augenmerk gilt ebenso dem Bürgertum als tragender Schicht der kommunalen Selbstverwaltung, Adressat staatlichen Gestaltungswillens, als kreativem Akteur eigenverantwortlichen Handelns und Inhaber der politischen Macht in der Gemeinde. Ebenso untersucht Berthold Grzywatz den Staat als Zentrum der Verwaltung, als koordinierende, aufsichtführende und intervenierende Instanz, aber auch als durch gouvernementale Interessen gesteuerte Agentur der Monarchie im historischen Längsschnitt. Unter modernisierungstheoretischen Aspekten geht es dem Autor um den Zusammenhang von lokaler Herrschaft, staatlicher Verwaltung und politischem Gesamtsystem von den Jahren des Zusammenbruchs und der Staatsreform im frühen 19. Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreichs. Mit kritischem Blick auf die ordnenden, stabilisierenden und integrativen Funktionen wird in der Selbstverwaltung partizipationsgeschichtlich ein Moment konservativen Beharrens entdeckt. Das außerordentlich sorgfältig, detail- und kenntnisreich angelegte Werk liefert damit auch einen zukünftig kaum zu entbehrenden Beitrag zur Geschichte des Liberalismus in Deutschland.