Strukturmaßnahmen und Kapitalmarktkommunikation

Unsere dritte Studie zur quantitativen empirischen Justizforschung reflektiert den aktien- und kapitalmarktrechtlichen Regelungsrahmen. Daraus ergeben sich 26 Vorschläge für eine regulatorische Weiterentwicklung. Das sind die großen Linien:

  • Die Datenlage zeigt keine Gleichwertigkeit von Börsenwert und Ertragswert. Die Empirie bestätigt die Betriebswirtschaftslehre: Börsenpreis und Unternehmenswert sind zweierlei. Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Informationsgrundlagen. Erst das Spruchverfahren vermag das strukturelle Informationsgefälle zwischen Haupt- und Minderheitsaktionären zu nivellieren. Das sichert auch die Investitionsstrategien ab, die auf den inneren Wert zielen.
  • Verschiedene Grundrechtsgefährdungen und Wertungsgegensätze lassen sich nur im Aktiengesetz beseitigen:
    • Die Durchführung einer aktienrechtlichen Strukturmaßnahme wie auch das Delisting erfordern eine aktienrechtliche Ausgestaltung: Die Wertfindung wirkt sich auf den verfassungsmäßigen Gewährleistungsrahmen zum Aktieneigentum aus.
    • Die 'Delisting-Entscheidung' des Bundesverfassungsgerichts (2012) steht unter dem Vorbehalt, dass es nicht zu 'regelhaften Kursverlusten' kommt. Diese Studie und eine weitere, vom BMF in Auftrag gegebene Untersuchung, weisen genau solche Verluste nach.
    • § 193 KAGB wirkt bei einem Delisting für OGAV-Fonds wie ein faktischer Squeeze-out ohne Kompensation.
    • § 39 BörsG gilt nur für den regulierten Markt, nicht für den Freiverkehr, und verschafft keinen Zugang zum inneren Wert. Schon die 'BKN-Entscheidung' (2013) hatte die unterschiedlichen Rechtsrahmen für die Handelssegmente als nicht grundrechtskonform moniert.

  • Die 'Stollwerck-Entscheidung' (2010) steht unter dem Vorbehalt 'neuer Erkenntnisse in der Kapitalmarktforschung'. Sie liegen mit der 'Effizienzmarkthypothese' von Eugene F. Fama vor. Er hat 2013 dafür den 'Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften' erhalten.
    • Danach müssen alle kursrelevanten Informationen bekannt und verfügbar sein und sich im Börsenkurs niederschlagen. Dazu zählen bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen insbesondere die Kompensationshöhe und deren Ermittlungsgrundlagen.
    • Das erfordert auch eine Haftung für (Kapitalmarkt-)Informationen.

  • Der Rechtsschutz für Aktionäre verfolgt keinen Selbstzweck, sondern schafft die Vertrauensgrundlage für Investitionen. Die Daten zum Geldvermögen privater Haushalte der Deutschen Bundesbank zeigen den legislatorischen Handlungsbedarf. Die Steuerzahler richten zwar die Infrastruktur ein, erwirtschaften damit aber als Aktionäre keine Gewinne. So gehören die DAX-Unternehmen überwiegend ausländischen Aktionären. Die fehlenden Vermögenszuwächse bei Steuerinländern fehlen dann besonders in der Altersversorgung und verschärfen die Gleichheitsfrage.


Martin Weimann, Rechtsanwalt, Berlin.

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