System versus Gegenstandsbezug oder kann die Mengenlehre auf Dauer der Anschauung ausweichen?

Studienarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Philosophie - Theoretische (Erkenntnis, Wissenschaft, Logik, Sprache), Note: 1,0, Universität Rostock, Sprache: Deutsch, Abstract: Der berühmte Unvollständigkeitssatz von Gödel, demzufolge in hinreichend starken formalen Systemen notwendig Aussagen existieren, die weder beweisbar noch unbeweisbar sind, spielt für die moderne Mathematik kaum eine Rolle. Man möchte meinen, jener Satz hätte das Potential, einen Grundlagenstreit permanent brennen zu lassen, einen Grundlagenstreit, der die Formalisierung und Axiomatisierung der Mathematik wiederum angreift, etwa im Namen eines verlorengegangenen Gegenstandsbezuges. Nun, gerade die Anwendungen sind kaum an einem Grundlagenstreit interessiert, solange die Mathematik als Hilfswissenschaft effektiv bleibt und das tut sie offensichtlich: Flugzeuge und Raketen fliegen, Tunnel und Brücken stürzen relativ selten ein, wen kümmert da noch die Frage, ob das Unendliche existiert? Ohne Zweifel ist die Mathematik effektiv darin, ¿im anschaulichen Kontinuum verborgene Eigenschaften des Kontinuierlichen [...] zu erfassen.¿ Das Unendliche aber ist schon ein integraler Begriff im Raum der reellen Zahlen. In diesem Sinne dürfte die Rede von der Mathematik als einer axiomatischen Wissenschaft heute schlicht Gemeinplatz sein; die konventionelle oder fast schon traditionelle Definition der Zahl ist dann eben genau das, was die Axiome in sich logisch vorgeben. Ein Intervall zwischen zwei natürlichen Zahlen beispielsweise umfasst so gemäß dem Vollständigkeitsaxiom unendlich viele reelle Zahlen usw. Schon eher in Vergessenheit dürfte dabei geraten, dass die Zahl in der Mathematik erst um die Wende zum 20. Jahrhundert die Größe abgelöst hat; und dies bezeichnenderweise zum in etwa gleichen Zeitpunkt, an dem der Siegeszug der Mengenlehre, an sich also einer Theorie des Unendlichen, begann. Die Mengenlehre aber wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem umfassenden Aussagerahmen für die gesamte Mathematik überhaupt.